Heyyy, wusstet Ihr, dass ich hier im übrigen nicht nur mit Snowboarden beschäftigt bin, sondern auch kontinuierlich meine hauswirtschaftlichen Fähigkeiten weiterentwickle?
Gestern habe ich z.B. meine Snowboardhose mit einer Bundeswehr-Survival-Naht (auch OG-Kaufmann-Planlos-Kreuzstich genannt) wieder zusammengenäht. Mein Oberfeldwebel wär zufrieden gewesen - meine Frau allerdings hätte mich auf jeden Fall schallend ausgelacht.
Auch habe ich vorgestern einen Schlaufenzug an meiner Trekkinghose in elendlicher Fummelei wieder durchgefaedelt und gerade eben hab ich den Wasserzulauf auf meinem Hotelzimmerscheisshaus gefixt, so dass ich jetzt Waesche waschen kann.
Aber ich denke ihr seit nicht unbedingt an meinem Hausweiber MacGyver Geschichten interessiert, sondern wollt wissen, wie es denn war, meine ersten Heli-Runs.
Tag 1 begann mit mächtig viel Sonnenschein und mit einem riesigen Auflauf von bestickten roten und hellblauen Skilehreroveralls vor dem Heliski-Büro. Inklusive wettergegerbten coolen suedtiroler Skilehrern drin.
Da ich weder so nen tollen Overall hab, noch in eckigen und plump-steifen Knobelbecherskischuhen stecke, bekomme ich einige interessante, für mich aber
unzuordnungsbare (abschätzige? mitleidige? irritierte?) Blicke ab.
Keine Ahnung. Ich gehöre auf jeden Fall erstmal nicht dazu.
Der Guide gibt das Signal und so holpern sie alle los, lässig die breiten Tiefschneeskier auf den Schultern in Richtung Heliport-Bus, waehrend nur einer in seinen Softboots mit seinem Snowboard schüchtern hinterherlatscht. Immerhin ragen aus meinem Rucksack ein paar Teleskopskistöcke heraus, die mich im Falle eines Sturzes oder Stehenbleiben im flachem Gelände wieder in die Falllinie bringen sollen. (Also darf ich zumindest wie die anderen auch Stöcke tragen :-)
In der Tat bin ich ziemlich angespannt, kann ich die Situation aufgrund mangelnder Erfahrung doch noch überhaupt nicht einschätzen. In meinem Kopf rotieren die Gedanken in einer Aufwärtsspirale: Wie ist der Schnee? Wie steil ist das Terrain? Wie schnell die anderen, wie schnell ich selbst? Halt ich die ganze Gruppe evtl. auf? Wie hoch ist die Lawinengefahr wirklich da oben? Setz ich mich einem zu grossen Risiko aus? Ist es das wirklich wert?
Aufgeregt und präsent bis in die Haarspitzen drück ich mich auf den engen Sitz eines uralten, urtypisch amerikanischen Schulbus in den Farben der Heliski-Agency. Um die Aufwaertsspirale in Richtung Panik zu unterbrechen konzentriere ich mich auf das was ich kann - und weiss. Die diversen Powderabfahrten mit Vogge und Martin, durch den Wald in Lermoos, über die Latschen in Obertauern. Mit Sanela an der Klippe entlang in Hochfügen. Der Lawinenkurs mit Dimi vor über 18 Jahren. Nur ruhig, Marc, das wird schon.
Der Guide - Jerome - holpert herein und schiebt sich mit seinen Skistiefel auf den Fahrersitz: "Macht Euch keine Gedanken, der Heli ist mindestens genauso alt wie die Busse hier!" und schiebt über eine mechanische Zugstange die Einstiegstür zu. Die klemmt erstmal und geht erst beim dritten Versuch zu. 
Los gehts Richtung Heliport. Witzig: alle sprechen deutsch. Mitten in Kanada komm ich mir vor wie irgendwo in Österreich. Jerome - ebenfalls in deutsch - plaudert mit. Der Bursche hat wohl ein paar Kinderjahre bei Frankfurt gelebt, hat ne französische Mutter und lebt und arbeitet seit mehr als 8 Jahren hier in Whistler. Wechselweise bei der Bergwacht und als Heliskiguide.
Am Heliport kriegt jeder seinen Lawinenpieper und eine Kurzanweisung zur Verschüttetensuche. Das Helibriefing
Dann wirds ernst. Wir fahren einen weiteren Heliport an,
Ausrüstung klarmachen. Boots zu, Helm und Brille auf, Rucksack runter, in Position für den Hot-Pickup: der Guide mit dem Ski hier, drei Meter vom Guide entfernt kniet die Gruppe im engen Knäuel. Knatternd kommt der Heli über den Bergkamm. Die Schnauze nach unten verliert er eng am Berg an Höhe und kommt genau auf uns zu. FupFuppFupp schon ist er mit seinen Schwingen genau bei uns. Zieht die Schnauze hoch und setzt seine Kufen genau zwischen uns und dem Guide. Der Luftstrom der Rotorenblätter ist enorm, nimmt meinem knieenden Nebenmann die Balance und wirft ihn einfach auf mich drauf. WOW. Was für ne Kraft!
Einsteigen nach Prozedur. Anschnallen. Türen zu. Und los. Ab auf den Ipsoot Mountain. Wir fliegen durchs Tal über zunächst grüne, dann schneebedeckte Baumwipfel und gewinnen schnell an Höhe. 
Unglaublich: ich sitze in der Tat im Heli und mach es tatsächlich war! Die Anspannung und Selbstzweifel lösen sich und machen einer angeregten Konzentration und einer gehörigen Portion Vorfreude Platz. 
Der Heli setzt uns auf dem Ipsoot Mountain auf knapp 3000m ab. Der Heli zieht kurz hoch und lässt sich dann spektakulär über die linke Flanke den Berghang hinunter fallen. Inmitten einer sich langsam setzenden Pulverschneewolke schauen wir dem Heli nach. Bilder die sich sofort ins Gedächtnis einbrennen. Sofort und für immer.
Jetzt wirds ernst. Ich kontrolliere Bindung und Straps und ziehe die Schrauben nochmal nach.
Anschnallen. Aufgrund der erhöhten Lawinengefahr ("Considerable", was glaube ich unserer Stufe 3 entspricht) fahren wir alle einzeln in den Hang ein. Jerome voran, dann nach 15 Schwüngen der Nächste, dann nach weiteren 15 Schwüngen der Nächste und so weiter.
Irgendwo in der Mitte unserer 9 Skilehrer plus 1 Snowboarder Gruppe nehm ich mein Herz in die Hand und kante in den Hang...
... ich fühle mindestens 4 Augenpaare in meinem Rücken ...
... und mich hauts fasst auf die Fresse.
Aufgrund der sehr wind-exponierten Lage ist der Schnee hier oben verkrustet und angefroren, mit einem Belag von nur 2-3 cm Pulver drauf, so dass es mir sofort das Brett nach vorne wegzieht...
Ich kann aber rechtzeitig ausbalancieren und meine Lage adaptieren. 
Vier, fünf hart gekantete Schwünge und dann empfängt er mich auch schon: Samtweicher Pulverschnee! Pow-Pow vom Feinsten: leicht, fein, unglaublich geschmeidig.
Meine Wahrnehmung zieht sich zusammen auf den einen Punkt, dem Hier und Jetzt, dem Leben im Moment und im nächsten Schwung. Ich gehe links der bereits gesetzten Spuren und lass mich in den Hang fallen. Das Brett schwimmt schön auf, ich surfe mindestens knietief im Pow-Pow. Leg mich nach links und spüre die Schneegischt die unter mir weit nach rechts hinausgepustet wird. Ich lehn mich nach rechts und spüre die Fontäne auf der anderen Seite. Die Sonne steht mir im Rücken, so dass ich meinen Schatten auf der funkelnden weissen Oberfläche sehe. Vor mir nur Berge, schroffe Felsen und eine unberührte Schneedecke. Die Schatten der Fontänen verwirbeln in der Luft und werden wieder zur alpina-weissen funkelnden Schicht der Schneeoberflaeche. 
Ausser dem langezogenen Ffffft, fffffttt, fffttt der Schneefontänen höre ich nur das Pochen des Blutes, der abgefallenen Anspannung oder des Adrenalins in meinen Ohren. Der Hammmmmer.
Ich ziehe wieder nach rechts und steuere auf die Gruppe zu. Ich reihe mich auf gleicher Höhe von Jerome ein und schaue zu, wie die anderen den ersten Moment erleben. Während viele Juchzen, Jubeln oder Jodeln, bin ich still und halte den Moment und die noch Folgenden für mich fest. Für immer.
Punkt.
Wir verbringen einen unglaublichen Vormittag mitten in schneebedeckten, hohen Gipfeln der Rockies. Kleine Lichter inmitten einer überwältigenden Natur.
Jerome ist ab und an ein wenig nervös was die Schneelage angeht, bewegen wir uns doch in teilweise ziemlich steilem Gelände. Dort wo es gefährlich ist, fährt einer nach dem Anderen in den Hang ein. Der letzte Mann hat die Schaufel und die Sonde auf dem Kreuz, die wir allerdings den ganzen Tag und auch den folgenden Tag nicht brauchen werden. Ab und an rutscht ein kleines Brett unter Dir ab, was aber kein Problem darstellt.
Zum Mittagessen treffen sich alle 4 Gruppen auf einem kleinem Bergsattel, es gibt Sandwiches, warme Suppe und Tee. Die Reserviertheit der Skilehrer mir gegenüber ist weg, man unterhält sich nett und man stellt sich auf zum Gruppenfoto. Sitzendem Snowboarder ("so wie man die Snowboarder kennt") in der Mitte... 
Erwähnenswert auch Alex. Ein junger, rothaarigem und baertigem Skilehrer mit Heliskierfahrung, der nicht in seiner Uniform sondern unisolo fährt - und das ziemlich extrem. Wo alle Genuss-abwedeln, fährt er im Schuss, in extremer Schräglage oder springt.
Genau dass wird ihm dann auch zum Verhängnis. Aus vollem Schuss fährt er aus lockerem Pulver in schweren, oben angekrusteten Schnee ein. Die Skier bleiben unterhalb der Kruste stecken und er wird über die Skier katapultiert und schlägt so hart auf, dass sein Helm einreisst. Der Helm ist hin, der Kopf drin aber noch ganz und bis auf ein gezerrtes Aussenband ist bei dem spektakulären Sturz nichts weiter passiert...
Irre.
Zeit für den letzten Call für additional Runs. Obwohl ich eigentlich auf morgen spekuliere und Kräfte sparen will entscheide ich mich in letzter Sekunde doch noch mitzugehen. Jerome funkt durch und entlässt mich alleine den Berg runter zu Helene's Gruppe, die bereits in Position auf den Heli wartet. Also auf gehts! Vollgas im Schuss durch den feinen Pow-Pow. 
Ich erreiche die Gruppe, als der Heli bereits in die Gruppe einfliegt. Abschnallen und schon bin ich wieder auf dem Weg nach oben, während die Gruppe um Jerome auf das Taxi nach Hause wartet...
Ich weiss nicht, ob Helene die Linie leicht verfehlt oder einfach nur mit Absicht in ein deutlich steileres Stück einfädelt. Ganz wohl scheint ihr wohl selbst nicht zu sein, schickt sie zunächst - und das seh ich zum ersten mal heute - jemand anderes vor, um ihn unmittelbar zu sichern...
Wie dem auch sei, die Sonde bleibt in der Tasche, die Tracker auf "send" und nicht auf "receive/rescue" und wir haben noch einen traumhaft schönen Extrarun. "Raltney" heisst das Ding, das wie alle anderen Routen wohl bereits in Google Earth markiert sein soll...
Der letzte Pickup der Bell 212 bringt uns zurück zum Heliport, wo ich mit meinen durch die vielen Höhenmeter rauschenden und dumpfen Ohren überglücklich in den Sitz des Buses falle. Viel von aussen hören brauche ich heute auch nicht mehr, lausche dagegen viel intensiver in mich hinein und höre dem Abklingen des Endorphienkonzerts in meinem Rückenmark zu. 
Garantierte Zugabe am nächsten Tag.
So denk ich. 
Der nächste Tag bringt zwar ebenso schönes Wetter auf den phänomenalen Gletschern der Spearhead Range, leider aber auch eine ganz andere Gruppe.
Die ist heute zwar homogener mit Snowboardern gemischt, leider bei weitem aber nicht mit auf dem gleichen Skillevel wie die Südtiroler Skilehrertruppe gestern.
Wurde ich gestern gemustert, so bin ich es heute, der sich die Gruppe genau anschaut und schnell sieht, das so eine schnellfahrende und disziplinierte Gruppe wie wir gestern hatten keinesfalls selbstverständlich ist.  Schon nach den ersten Schwüngen purzeln die ersten und graben sich in den Tiefschnee ein, so dass der Guide heute (Atzud) schnell deutlich leichtere und damit weniger steile Abfahrten wählt. 
Hmmmm. Hätte doch das nochmal teurere Package ("Ultimate": 4 Leute in nem kleinen Heli, 6 anstatt 4 garantierten Runs mit mindestens 9000-15000 Fuss Höhe) wählen sollen, wie es mir Jerome empfohlen hat.
Da habe ich am falschen Ende gespart. Hinzu kommt, dass mir nach dem Lunchbreak auf einem traumhaft gelegenen zugefrorenen Hochgebirgssee, bei voller Fahrt die Kamera vom Helm abfliegt und sofort unter meinem "Abgasstrahl" an Pulver bedeckt wird... Keine Chance die wieder zu finden. Für immer auf 2500m begraben. Hochgebirgsbegraebnis sozusagen. Vielleicht findet die ja in 2 1/2 tausend Jahren eine hochentwickelte Gebirgsschabe und feiert das ganze als Relikt aus lang vergangenen Tagen...
Auch besteht heute keine Möglichkeit auf Extraruns. Wir haben zu viel Zeit verbraten und es gibt gegen Ende kein Platz mehr im Heli fuer einen extra Lift.
Nun gut, so ein Endorphinkonzert wie gestern spielt wohl nicht jeden Tag auf...
Anregendes gibt es aber auch heute zu berichten. So biege ich heute zum Beispiel aus vollem Schwung um eine Schneewächte herum in eine Rinne ab, in der mich das kristalline bzw. helltürkisfarbene Blau einer Gletscherspalte angrinnst. Zu spät zum Ausweichen, also hilft nur ein explosiver Druck mit beiden Beinen auf den Tail und die Base des Bretts und mit nem Ollie drüber über die Spalte. 
Holy Cow.
Ausserdem bin ich schwer beeindruckt von Jerry aus meiner Gruppe. Einem 35 Jahre alten Surfer aus LA. Zusammen mit seinem Kumpel Darryl erfüllt er sich den Traum des Heliboardens. Nur fährt Jerry im Gegensatz zu uns mit einer Prothese. 
Das hintere, so wichtige Standbein hört bei Jerry aufgrund einem Geburtsfehler direkt unterhalb dem Knie auf, so dass er ohne Fersen oder Kantendruck auf dem hinteren Bein die Hänge runterboardet.
Kein Wunder purzelt er bei steilen Passagen wo man präzise auf die Frontside umspringen muss...  
Ich bin unglaublich beeindruckt von dem Burschen, wie er sich ein ums andere Mal ausbuddelt und wieder aufsteht. War ich anfangs noch enttäuscht aufgrund der Verzögerung, so bin ich jetzt voll der Bewunderung für die Herausforderung die er sich stellt!
Mit der Zeit lässt er dass Umspringen einfach sein und macht den Berg zu seiner Welle - er reitet der Berg einfach wie auf einer grossen Welle in einem Zug in riesigen und damit unter grosser Geschwindigkeit in weit ausladenden Schwüngen. Teilweise zieht er einfach nur eine gerade Linie entlang der Falllinie in den Berg...
Hut ab. Absolut inspirierend.
Stay tuned. Am Montag - übermorgen! - gehts zum letzten Mal mit dem Heli hoch bevor ich mich auf in die Rockies mache. Im Ultimate Package zusammen mit zwei Rennfahrern aus Aspen. Wer da wohl auf wen warten muss? Ich werds euch berichten...