Mittwoch, Dezember 30, 2009

Let it snow, let it snow, let it snow.

[Mury, mitten im Regenwald in den Bergen 120km weg von Rio de Janiro 29. Dezember 2009]

Mann, mann, mann, 8 Tage ohne Notiz, ich weiss.... Mea Culpa... Aber das Reisen mit Frau, Kind, Wetter und Caipirinha... Ihr moegt es mir verzeihen...

Sitzengelassen hab ich Euch in Sao Paolo, wo ich die Moeglichkeit zum Shopping dankbar ausgeschlagen habe und mich bei bruellender Hitze in die letzte Schattenritze des hauseigenen Pools gezwaengt habe.
Den Tag drauf allerdings, bin ich dran. Auf zum Schuhekauf. Wer denkt, in Brasilien ist alles guenstiger, wird enttaeuscht. Beinahe Muenchener Preisniveau. Importware aus Amerika auf jeden Fall, wenn nicht noch teurer. Die Wii kostet hier z.B. 1200RS - umgerechnet 400€. In Deutschland zum Weihnachtsgeschaeft ist die Spielekonsole glaub ich fuer unter 180€ zu haben.
Naja, wer will hier Spielekonsolen kaufen. Wir sind scharf auf Schuhe. Gibt es hier doch noch das Vorgaengermodel meiner heissgeliebten Superstar 2. Allerdings nicht fuer deutsche Fussohlen denn die Verkauefer strecken bereits bei Groesse 43 die Segel.
Dabei ist das Einkaufszentrum riesig und dementsprechend voll mit Schuhlaeden...
Aber Familie Kaufmann passt sich der Mode an und stattet sich eben mit hiesigen Produkten, im besonderen den Brasilianischen Badelatschen - Havajanas - aus.

Auf dem Rueckweg zu Yanina und Tobi nach Brooklin fallen mir wieder die Verkehrspolizisten auf, die einzeln an belebten Strassenkreuzungen stehen. In ihren schmutziggrauen Uniformen mit den gelben Schirmmuetzen sehen sie ein wenig wie arbeitslose Tankwarte aus...
Tankwarte, die es aber in sich haben, schreiben sie doch jede Verkehrsueberschreitung auf, die sie sehen. Vor allem die Strassenblockierer bei Rotphasen werden wohl uebelst zur Kasse gebeten - und das nicht sofort, sondern einmal im Jahr mit der naechsten faelligen KFZ-Steuer...
Feliz ano novo - Gutes Neues!

Am 23. 12. geht unsere Zeit in Sao Paolo zu Ende. Wir packen auf den Punkt, bevor uns der Fahrer der Muenchener Rueck puenktlich um 9h30 in der Tiefgarage abholt.
Wowowiwa. Ich bin immer noch entsetzt, mit wieviel Gepaeck man auf einmal hat, wenn man mit Kind unterwegs ist. Was frueher zwei Rucksaecke waren, sind jetzt zwei Koffer, eine grosse Tasche, ein Buggy, ein Kindersitz , sowie diverses Handgepaeck (3 Stueck++) mit Spielzeug, Essen Trinken, Windeln, Medikamente f. Durchfall, Verstopfung, leichten Durchfall oder leichte Verstopfung... Ihr koennt es Euch vorstellen ...

Naja, auf gehts noch einmal durch den Verkehr Sao Paolos tauchen.
Der Reisefuehrer spricht hier von 6 Millionen Autos, 1/4 der gesamten Fahrzeugflotte Brasiliens, die taeglich im Stadtgebiet 100km Staus produziert. Und das obwohl hier ein taeglich rotierendes Fahrverbot gilt, das per Endziffer des Kennzeichens gesteuert wird. Yanina und Tobi z.B. duerfen Mittwochs mit ihrem SUV nicht fahren, da Mittwochs die Endziffern 3-4 - wenn ich es richtig behalten habe - stadverwaltungsrechtlich Pause haben....
Zurueck zum Verkehr. Wenn Tobi hier einwandfrei mitschwimmt, ist unser Fahrer hier der Hecht im Goldfischteich:
Macht er doch das ein oder andere mal aus einer einfachen Abbiegespur, auf der sie bereits zweispurig stehen, noch eine dritte auf um kurz vor Ultimo vor einem alten Daimler Benz LKW mit Rundschnauze reinzuziehen.
Das Ganze ohne uebermaessig abzubremsen oder gaszugeben, nutzt er die die Busspur wo es praktisch ist um kurz danach wieder in den normalen Verkehr einzufaedeln, wo es besser laeuft.
Nebenher nimmt er auf zwei Telefonen Gespraeche entgegen.
Sanela kriegt von alledem nichts mit, sie kaempft mit dem Rueckbankunwohlsein. Nur Toni schaut mit genauso grossen Augen wie ich aus dem Fenster.
Am Flughafen selbst ist soviel los, dass selbst auf der sonst so schnellen Kinderspur Stau ist - 45 Minuten lang dauert es, bis wir unseren Gepaeck los sind. 45 min in denen Toni zunaechst die Schlangennachbarn umgarnt, dann den Gepaeckwagen bis ganzganz nach oben besteigt und dann schliesslich lauthals und vehement protestiert, als sie die Schlange schlussendlich doch langweilig findet und den Flughafen per Pedes erkunden will. Was - natuerlich - nicht geht.
Nur: erklaer das mal der Abenteurerin.
Wirklich erstaunlich ist, dass die anderen brasilianischen (Klein-)Kinder die Warterei ohne Mucks ertragen. Sie schauen sich jediglich die Toni-Show an. Mit grossen braunen Augen.
Die bekommen die brasilianische Gelassenheit wohl schon mit der Muttermilch.

Im Flugzeug selbst sitzt dann ein braungebrannter Brasilianer neben uns, der - da schau her - total gut Englisch spricht. Und freundlich ist er auch: Bietet uns seinen Platz an. Will extra Platz fuer die Toni machen. Erst als er versucht, mit der Stewardess zu sprechen wird mir klar: der ist genauso lost mit portugiesisch wie ich!
So ist es in der Tat. Der "Brasilianer" entpuppt sich als Libyer, der Ölgeschafte macht. Und verdammt viel unterwegs ist.
Als er hoert, das wir aus Deutschland kommen, erzaehlt er uns von dem gestrigen Schneechaos am Frankfuerter Flughafen, der sein Flugzeug - aus Rom kommend - zu einer Ausweichlandung in Kassel zwingt; 1h Schlangestehen am Taxistand bei -17 Grad fuer den Transfer zurueck nach Frankfurt, sowie weiteren 5h Schlangestehen am Checkin, ist er dann zurueck in Frankfurt und endlich in der Maschine nach Sao Paolo. Fernsehinterview von RTL, die vom Chaos berichten, inkusive.

Fuer uns laeuft dagegen alles wie am Schnuerchen.
In Rio gelandet, stehen Silvia und Fahrer schon bereit, um uns am Zuckerhut vorbei in die Berge von Rio zu bringen. Zwei Stunden, einem tropischen und wirklich erdrutschartigen Regenfall sowie unzaehligen Schlagloechern spaeter sind wir bei Neia & Guenther auf ihrem Anwesen angekommen, dass die beiden "Dacinho do Ceu" - ein Stueck Himmel - getauft haben.
Neia und Guenther sind die Eltern von Silvia und Jessy, unseren guten Freunden und Taufpaten unserer Toni, die vor ungefaehr einem Jahr nach Brasilien ausgewandert sind. Neia, absolut liebenswerte Brasilianerin und Guenther, ein toller Gastgeber mit langjaehriger Brasilienerfahrung haben uns in den Kreis ihrer Familie eingeladen, um das Weihnachtsfest mit ihnen zu verbringen.

"Dacinho do Ceu" ist wirklich ein Stueck Himmel. 14000qm aus dem huegeligen Regenwald regelrecht herausgeschnitzt. Ohne Ende Wasser: Zwei Quellen, mehreren Bachlaeufen, vielen kleinen und grossen Wasserfaellen, einem Ententeich, ein Goldfischteich, mehreren Zierbrunnen und einem See, der bei den taeglichen Regenfaellen schon mal um einen Viertelmeter ansteigen kann.
Mitten im Naturschutzgebiet, in dem man per Gesetz streng genommen nicht mal einen Baum schneiden kann steht, auf einer Anhoehe das Herrenhaus. Von einem Deutschen erbaut sieht es mit dem hoelzern eingefassten Dachstuhl und den Blumen an den Dachfenstern tatsaechlich ein weinig aus wie eine Alphuette.
Drumherum top gepflegter Rasen, Zierbuesche in weissen Blumenrondells, altgriechische Figuren um und in den vielen Brunnen. Viele Schmetterlinge, ein paar Kollibries und fuer mich nicht weiter zu spezifizierende Voegel. Nicht zu vergessen die beiden Haus, Hof und schneeweissen Hunde Jury und Nevi ("Schnee").

Ein bisschen tiefer zum Haus stehend: der grosse Pool, mit breiter Einfassung aus hellen, zimtfarbenen Kacheln. Ideal fuer unsere Kids (Silvia und Jessy haben Toni's beste Freundin Brooklyn dabei), da sie sich - auf dem Bauch liegend - gefahrlos mit den Haenden im Wasser plantschen koennen ohne unmittelbare Gefahr direkt vorn- bzw. kopfueber ins Wasser zu fallen.

Steigt man weiter anhand dem Wasserlauf am Ententeich vorbei auf, umarmt einen wieder der Regenwald. Hier ist er weniger dicht verwachsen, steigt er doch steil an. Am Hang zwischen den hoehen Baeumen: Limetten und Zitronenbuesche, dessen Fruechte, unkonventionell von Jessy unter Einsatz seiner weissen Hose geerntet, eine 1a Caipirinha ergeben. Ihr koennt es mir glauben.
Biegt man oben links ab, hat man einen wunderschoenen Blick ueber das gesamte Anwesen.

Geht man den Weg in der Nacht, hat man annaehernd 100% Luftfeuchtigkeit. Haelt man die Hand vor das Headlight, sieht man den feinen Teppisch aus winzigsten Regentroepfchen.
Dazu das Konzert der Bewohner... (... des Areals, nicht des Herrenhauses....):
Das tiefe Quaken der Froesche geben die Drums, das Zirpen der Grillen die Highhats, das unregelmaessige und doch wiederkehrende Schreien der Nachtvoegel ist die melodische Kopfstimme.
Ein tolles Konzert der Natur - jeden Abend.

Der 24. kommt und ich liege zum ersten Mal zu Weihnachten im Swimmingpool.
Um mir nicht selbst einen Sonnebrand zu Weihnachten zu schenken gibt es Sonnencreme statt Vanilliekipferln: Toni sieht aus wie eine Kalkleiste, hat aber einen Heidenspass nachdem die Prozedur des Einschmierens vorbei ist und sie wieder mit ihrer sechs Monate aelteren grossen Freundin Brooklyn Spielzeug wegnehmen und Gegenwegnehmen spielen darf.

Das Fest selbst ist nicht so viel anders und dennoch total verschieden. Feiert man mit lieben Menschen sind es dennoch nicht die Liebsten daheim...
Das Essen ist auf jeden Fall vergleichbar saugut. Neja kocht eine herrliche Pute und einen Riesenfisch - und auch die Spaetzle am naechsten Tag, die auf meine Kosten gehen gelingen...

Die Tage sind ruhig und sehr gechillt. Als Gaeste in der Familie zu sein ist sehr angenehm und wie sonst zu dieser Jahreszeit auch - obwohl meist in Badehose - auesserst isolationsschichtfoerdernd.

Nichstdestotrotz faengt der Regenwald an zu nerven. Naja, wohl mehr der Regen, der hier taeglich runtergeht, als der Wald der nach wie vor unglaublich schoen ist.
Daher geht es bereits einen Tag vorher - morgen - in "die schoenste Stadt der Welt" (laut Reisefuehrer). Toni kommt mit, da sie einen fiesen Durchfall und damit einen noch fieseren roten Hintern hat. Brooklyn gehts gut und darf daher bei den Grosseltern bleiben.
Mal schauen wie wir, ne Bosnierin (Sanco), nen Gringo (meinerseits), die Prinzessin mit dem wunden Hintern (Toni), ein Franzose (Jessy) und eine gebuertige Brasilianerin (Silvia) den Jahreswechsel in Rio de Janeiro erleben werden.

Beste Gruesse und wenn wir uns nicht mehr lesen: Boas Entradas oder einen guten Rutsch wie der Brasilianer sagt!

Montag, Dezember 21, 2009

Von Taxis, Hurley und Drehspiessen

[Sao Paolo, 21 Dezember 2009]

Die Sache mit den Taxis...
In Sao Paolo gibt es wohl zwei Sorten von Taxis. Die privaten, ganz Weissen, die man nicht unbedingt nehmen sollte, da man nicht weiss, wo einen der Taxler hinbringt. Vielleicht ne Runde durch Sao Paolo auf deine Kosten oder evtl. auch in eine Favela wo seine Kumpels dich bis auf die Unterhose abziehen. Oder die stark regulierten, blau weissen Taxis, die nur vom Flughafen starten. Deren Fahrer zwar zuverlaessig, die Taxis selbst aber ebenso wenig sicher sind, da sie durch ihre Farbkennung als die Taxis ausgewiesen sind, bei denen fast ausnahmslos fette Fische vom Flughafen mitfahren - und daher gerne auch mal ueberfallen werden.
Am besten also, man laesst sich kutschieren.

Sao Paolo selbst ist auf die Kriminalitaet eingestellt, ohne dass man sich jetzt als Gringo tagsueber unwohl fuehlen muesste. In Brooklin, dem Stadtviertel wo Yanina und Tobi (Yato) wohnen, kann man sich voellig frei ohne Angst bewegen. Und dennoch sieht man auch hier interessante Sicherheitsextras:
- Wachmaenner in Haeuschen vor den grossen (Hoch-)haueschen
- Kaefige und Schleusen, in denen du zunaechst die eine Tuer oeffnest, hineingehst und wieder schliesst, bevor dir der Wachmann die andere Tuer per Elektrik oeffnet. Das Gleiche gibts in gross fuer die Einfahrt mit deinem Auto in die Tiefgarage
- Fahrstuehle die dich nur mit Code in das entsprechende Appartement fahren
- europaeische Mittel- und Luxusklassewagen kommen in der Regel mit extra Gepaeck: einer Panzerung

Die Menschen begegnen einem hier aber freundlich und offen - im Besonderen, wenn man mit einem so abenteuerlustigen Kleinkind unterwegs ist.
Ein Laecheln, Kopfstreicheln, Essen runterreichen oder dem eigenen Kind das Spielzeug wegnehmen nur weil vor einem ein dunkelblondes Gringo-Kind mit ausgebreiteten Armen steht und nach dem Spielzeug kraeht. (Den Ton, den das Gringo-Kind beim Zurueckgeben des Spielzeuges durch ihre Eltern macht, braucht ich Euch glaub ich nicht beschreiben...)

Auch auf der Fahrt an die Kueste gibt es eine Menge zu sehen:
- die unverputzten Ziegelhuetten der Favelas reichen bis an die Autobahn, die Kinder spielen sogar auf der Autobahn oder flitzen auf die gegenüberliegende Seite zum Supermarkt.
- Bushaltestellen - ebenfalls direkt auf der Autobahn.
- zum Wochenende wird die Autobahn zur Einbahnstrasse - morgens zum Strand und abends zur Stadt hin
Sofort als wir aus der Stadt sind umgibt uns das satte saftige Grün des Regenwaldes in das man nicht einen halben Meter hineinschauen kann.
Die letzten 60km zur Kueste geht es dann auf Landstrasse weiter und Antonia muss bespasst werden. Da kommen die unzaehligen Speed Bumps, die durch grossflaechige gelbe Schilder angekuendigt werden, gerade recht. Jeder Hubbel wird durch uns mit einem grossen O angekuendigt und von der Kleinen auf der Rueckbank mit einem kleinen O quitiert.

Dann endlich: [LOST Titeljingle an] Der Strand [LOST Titeljingle aus].
Der Strand ist unverbaut; die Sandbucht ist umgeben vom Regenwald und eingefasst von hohen, von der straken Brandung geschliffenen Felskanten auf denen sofort wieder der Urwald thront.
LOST. Wow. Gleich muss Hurley um die Ecke kommen, da sonst niemand da ist.

Wir muessen unser Lager gluecklicherweise nicht aus Flugzeugteilen und Rettungswesten erbauen sondern checken bequem in das vom Strand zurueckgesetzte, niedliche Hotel (www.hotelsambaqui.com.br) ein. Zweistoeckig und total nett verwinkelt aber luftig gebaut; viele Sitzgelegenheiten und Bücher laden zum Schmoeckern ein; ueberall Krimskrams; ein grosses Aquarium; ein bischen Weihnachtsdeko - klar is ja bald Weihnachten, ne.
Erinnert uns an das Familienhotel auf Kho Lanta, in Thailand.
Auch der Pool mit seinen Kinderplantschbecken ist total schoen. Koennte Toni reden, wuerde sie das lautstark bejahen, da bin ich mir sicher, ist sie es doch, die unermuedlich mit ihrem Strandgeschirr (Eimer, Giesskanne, ...) Wasser aus dem Plantschbecken umfuellt, ausgiesst, rumspritzt, trinkt etc.
Wirklich schoen anzusehen, wie sie auch im Urlaub an ihren "kausalen Erfahrungen" arbeitet:
- ein Eimer voll Wasser ist deutlich schwerer als ein Leerer (aber ich krieg ihn dennoch hoch)
- wenn ich die Giesskanne ueber den schlafenden Papa giesse, wird er mit komischen Gesichtsausdruck wach
- Papa's Badelatschen schwimmen, Mamas Sonnebrille dagegen nicht...
- je knackiger der Hintern, desto knapper der Tanga. (Moment mal - das ist jetzt Papa's Eindruck!)

Waehrenddessen mache ich erste Erfahrungen mit den lokalen Getraenken.
Ich sag Euch: die Caipirinhas sind ...
... Wahnsinn!
Wohl aehnlich zu dem Riesling in den Stettener Weinbergen kann der Caipirinha wohl nur in Brasilien seinen vollen Geschmack entfalten... Prost!
Alle andere Getraenke schaff ich nicht mal zu bestellen.
Selbst die elementare Bierbestellung scheitert klaeglich: ich bekomme Malzbier.
Immerhin: das Zeug ist arschkalt, hat 4,8 Volt und schmeckt saugut. Und: es steht doch tatsaechlich "Malzbier" drauf.
Leider bekomme ich nun, wenn ich schon genau dieses Malzbier bestellen will, wieder normales Bier ausgehaendigt. Kruzifix!

Ich gebs auf und nehme nun einfach eine leere Flasche mit um zu zeigen, was ich will. Das klappt, selbst wenn ich eine bayrische Hoeflichkeitsformel bei der Bierbestellung verwende: "Geb ma a Bier, du Sauhund!"
Nein, Spass beiseite: mit Englisch, geschweige denn mit Deutsch ist hier kein Durchkommen. Null. Wir sind absolut mit allem und überall auf Yanina und Tobi angewiesen.

Also Zeit ein wenig Portugiesisch aus dem Kauderwelsch Buch zu lernen:
(Sehr geil Seite 120 aus dem Kapitel "Sex und Liebe" - in unveraenderter Reihenfolge - ich schwoer!):
Eu gosto de voce
(Ich mag Dich)
Voce e muito lindo
(Du bist sehr huebsch)
Sou rico e solteiro
(Ich bin reich und ledig)

Im Vergleich zu den derzeit -10 Grad in Muenchen ist es hier drueckend heiss bei mind. 40 Grad mehr und fast 80% Luftfeuchtigkeit, so dass wir uns die meiste Zeit im Schatten, im Pool oder - wenn im Zimmer - vor der Klima aufhalten. Zumindest ich.
Sanela haengt unter der Decke und friert... Ohne Worte.
Das denkt sich wohl auch Toni, die vom Bett runterkriecht und mit roten Backen zu mir unter den Schreibtisch krabbelt, wo der Lueftungsschacht der Klimaanlage sitzt.

Erste Versuche des abendlichen Fleischkonsums enden in einem auf den Punkt gebratenen Stueck Picanha vom Rind, das zwar wunderbar medium rare gebraten, leider aber dennoch ziemlich sehnig und zaeh ist.
Das Fleisch wird anstandslos zurueckgenommen und - als das neue Stueck Fleisch kommt - bleibt der Kellner so lange am Tisch stehen bis ich mit glaenzenden Augen ein zufriedenes und internationales "Hmmm" von mir gebe.

Die Zeit fliegt und so sind die 3 Tage am Meer schnell rum, Zeit zum Auschecken.
Um 16.00(!) muss man hier raus, so dass aus den 3 Tagen Kurzurlaub fast 4 werden. Cool.

Zurueck in Sao Paolo wird das schnelle Shoppen um die Ecke ein weiteres Erlebnis.
Bis auf 0,6l Warsteiner und dem Erdinger Erlebnispack (Weissbier + Glas) gibt es hier neben Kinderschokolade absolut nix Bekanntes.
Dafuer gibts getrockneten Fisch am Haken, der aussieht wie einer Schweinehaelfte und riecht wie Parmesan sowie einen Wurstverkaufer, der nicht weiss ob er Gefluegelsalami hat und daher alle Salamis ausgiebig, Stueck fuer Stueck einer Etiketteninventur unterzieht... Wenn ich mir das beim Vinzenzmur in Muenchen vorstelle muss ich an offene Rebellion denken.

Das herausstechenste Ereignis des naechsten Tages (inzwischen ist es Sonntag der 20. 12.) ist neben dem Trainieren mit Transvestiten in YaTos Fitnessstudio um die Ecke zweifelsohne das konkurrenzlos gute Rodizio bei Fogo de Chao. Ein Wahnsinnsladen, dessen Qualitaet sich schon an der Schlittenschlange des Valetservices Erahnen laesst.
Dank des inzwischen bekannten Kleinkindservices schaffen wir es sofort an der Warteschlange vorbei und koennen nicht einmal den Prosecco als Starter / Wartezeitverkuerzer austrinken, geschweige denn die angebotenen Huehnerherzen und die dazu gereichte typisch brasilianische Wurststueckchen essen - der Tisch ist bereitet!

Wir biegen mit den Kindern und den Kellnern, die uns den Prosecco hinterhertragen um die Ecke - und mir bleibt die Spucke weg:
Linker Hand ein auf Gewoelbe gemachter, hinter Glas verpackter und damit bestimmt temperierter Weinkeller, geradeaus ein riesiges Buffet sowie rechter Hand ein ziemlicher grosser Raum mit ziemlich vielen Tischen. Alle voll. Drumherum, gefuehlt genau so viel Kellner in Gauchohosen und Guerteln wie Tische. Und alle haben sie Spiesse in der Hand. Allein auf dem Weg zu unserem Tisch komm ich an mindestens 8 Spiessen, ich mein Kellnern, vorbei. Drehspiesse, Lammschultern, rosagebratene, riesige Stuecke Fleisch mit krosser Fettkruste drumherum, Haehnchen, Lammkarrees, ...
Ein Bienenschwarm von aeusserst geschaeftigem Personal, das aufdeckt, abraeumt, Getraenke bringt und natuerlich Fleisch von den Spiessen auf die Teller der Gaeste runterschneidet.
Wow. Ich widerstehe kurz der Versuchung, mich auf den Boden zu legen und mir gebratene Wachteln in den Mund fliegen zu lassen.

Am Tisch angekommen finden wir zwei wichtige Details in Papierform vor.
Ein anatomischer Laengschnitt durch eine Kuh, das schematisch die verschiedenen Schnitte illustriert (23 allein auf diesem Bild): Top-/Bottom-/ oder normales Sirloin, Short ribs, Prime ribs, Filet mignon, Rumpsteak, etc. p.p.
Nur der Zwiebelrostbratenschnitt fehlt. Geht wohl nur bei dem schwaebischen Rindviechern...

Das andere Detail ist eine Art Bierdeckel, auf der einen Seite gruen, auf der anderen rot. Ihr koennt Euch vielleicht denken, wofuer der gut ist: rot als Zeichen fuer den Kellner, dass "kein Interesse am Gespraech waehrend ich esse" - sprich: erstmal kein Nachschub; gruen: "her mit dem Zeug!".

Was dann kommt koennt Ihr Euch auch denken: obwohl uns Toni abwechselnd durch das Lokal scheucht, ueberfressen wir uns gewaltig.
Ein eiskalter Cachaca und ein doppelter Espresso ermoeglicht es mir, das Lokal aufrechtstehend zu verlassen. Der anschliessende Spaziergang in einem der Stadtparks tut das Uebliche, um den Verdauungstrakt zumindest ein wenig Unterstuetzung zu kommen zu lassen.
Genau das richtige Training, denn heute wollen wir zum Spareribs-Essen in einen anderen Laden.
Dort soll das Fleisch so zart sein, dass es durch blosses Auflegen des Messers vom Knochen gleitet.
Ich bin gespannt - und werde berichten.

Mittwoch, Dezember 16, 2009

Sao Paolo

[16. Dezember 2009, Sao Paolo]
in T-Shirt und kurze Hose auf dem Balkon von Yanina und Tobi im 13. Stock


Da sitzt ich nun. Mitten im Dezember erinnert mich jediglich der Plastikschneemann auf dem Balkon daran, dass es jetzt kurz vor Weihnachten eigentlich saukalt sein muesste...

Wir sind angekommen im Reich der Caipirinhas, Tangas und Favelas. Von allen drei Sachen seh ich im Moment noch recht wenig. Was ich sehe, ist eine fantastische Aussicht auf Sao Paolo.

Wie die erste Flugreise mit Toni war?
Hmmm. Der Flug mit Zwischenstop zum Umsteigen in Portugal war ...
... aufschlussreich.


So weiss ich zum Beispiel jetzt, dass

- Lufthansa einen Familiencheck-In anbietet, an dem a) sowohl nichts los ist, sowie b) auch tierisch freundliches Personal sitzt, dass sich Zeit fuer Dich nimmt. (Grosses Lob an dieser Stelle)
- das handballfeldgrosse Terrain vor dem Check-In ideal fuer Antonia ist um ihren Buggy auszufuehren und gleichmal anzuzeigen, was fuer einen Bewegungsdrang sie heute entwickeln werden wird...
- überall in München, Lissabon oder Sao Paolo man an keiner Flughafenschlange anstehen muss - wenn man zufaelligerweise ein Kleinkind dabei hat
- die Kombination Nasivin, Antibiotika und Schmerzmittel gegen Toni's Ohrentzuendung eher aufputschend als beruhigend wirkt
- Toni am liebsten waehrend Start und Landung auf dem Flugzeuggang entlangrennt, und - wenn das nicht geht - ohrenbetaeubend ihrem Bewegungsdrang ein verbales Ventil verschafft
- nicht alle Passagiere das akzeptieren koennen. Das erste - bei einem Kleinkind durchaus sinnvolle - "schhhhhhhht!" kommt nach ca. 90 Sekunden. Dieses "schhhht" steigert sich dann zum Aufstehen, lautem Protestieren und Empoerungsrufen - quittiert von Sanela mit den Worten "Sie koennen ja aussteigen, wenn sie es stoert!". Antonia stoert das nicht weiter als sie weiter durch die Gaenge stuermen darf und so schaut sie bei ihren diversen "Gangway"-Laeufen hoeflich und freundlich noch weitere geschaetzte achtmal bei der netten alten Dame vorbei...
- Toni die Nacht bis 4.00h aufbleiben "darf" um gegen
- 9.00h Freundschaft mit einem braslilianischen Babyboy macht, um ihn nach erstem zoegerlichen Haendchenhaelten erstmal um den prachtvollen Schnullie zu berauben.
- vorherrschende Sprache innerhalb des ollen aechzenden Airbus der portugiesischen TAP (natuerlich) portugiesisch ist
- sich dass nach der Landung schlagartig aendert: alles ist auf einmal deutsch - es wird begeistert geklatscht. Wir sind verdutzt, aber die Toni klatscht mit!
- brasilianischer Verkehr einer der Aufregendsten überhaupt ist - und dabei spreche ich hier jediglich vom Strassenverkehr, in dem Tobi absolut souveraen mitschwimmt.

Wow. Ich lass meinen Blick ueber diese beeindruckende Ausicht schweifen, folge einem der vielen Jets, die nur wenige Meter ueber diesem Panorama zur Landung auf dem Stadtflughafen ansetzen und freue mich auf die Tage, die jetzt vor uns liegen. Morgen geht es zusammen mit Yanina, Tobi und Allegra ans Meer.

Viele Gruesse soweit,
Sanela
Antonia
Marc