Die Sache mit den Taxis...
In Sao Paolo gibt es wohl zwei Sorten von Taxis. Die privaten, ganz Weissen, die man nicht unbedingt nehmen sollte, da man nicht weiss, wo einen der Taxler hinbringt. Vielleicht ne Runde durch Sao Paolo auf deine Kosten oder evtl. auch in eine Favela wo seine Kumpels dich bis auf die Unterhose abziehen. Oder die stark regulierten, blau weissen Taxis, die nur vom Flughafen starten. Deren Fahrer zwar zuverlaessig, die Taxis selbst aber ebenso wenig sicher sind, da sie durch ihre Farbkennung als die Taxis ausgewiesen sind, bei denen fast ausnahmslos fette Fische vom Flughafen mitfahren - und daher gerne auch mal ueberfallen werden.
Am besten also, man laesst sich kutschieren.
Sao Paolo selbst ist auf die Kriminalitaet eingestellt, ohne dass man sich jetzt als Gringo tagsueber unwohl fuehlen muesste. In Brooklin, dem Stadtviertel wo Yanina und Tobi (Yato) wohnen, kann man sich voellig frei ohne Angst bewegen. Und dennoch sieht man auch hier interessante Sicherheitsextras:
- Wachmaenner in Haeuschen vor den grossen (Hoch-)haueschen
- Kaefige und Schleusen, in denen du zunaechst die eine Tuer oeffnest, hineingehst und wieder schliesst, bevor dir der Wachmann die andere Tuer per Elektrik oeffnet. Das Gleiche gibts in gross fuer die Einfahrt mit deinem Auto in die Tiefgarage
- Fahrstuehle die dich nur mit Code in das entsprechende Appartement fahren
- europaeische Mittel- und Luxusklassewagen kommen in der Regel mit extra Gepaeck: einer Panzerung
Die Menschen begegnen einem hier aber freundlich und offen - im Besonderen, wenn man mit einem so abenteuerlustigen Kleinkind unterwegs ist.
Ein Laecheln, Kopfstreicheln, Essen runterreichen oder dem eigenen Kind das Spielzeug wegnehmen nur weil vor einem ein dunkelblondes Gringo-Kind mit ausgebreiteten Armen steht und nach dem Spielzeug kraeht. (Den Ton, den das Gringo-Kind beim Zurueckgeben des Spielzeuges durch ihre Eltern macht, braucht ich Euch glaub ich nicht beschreiben...)
- die unverputzten Ziegelhuetten der Favelas reichen bis an die Autobahn, die Kinder spielen sogar auf der Autobahn oder flitzen auf die gegenüberliegende Seite zum Supermarkt.
- Bushaltestellen - ebenfalls direkt auf der Autobahn.
- zum Wochenende wird die Autobahn zur Einbahnstrasse - morgens zum Strand und abends zur Stadt
Sofort als wir aus der Stadt sind umgibt uns das satte saftige Grün des Regenwaldes in das man nicht einen halben Meter hineinschauen kann.
Die letzten 60km zur Kueste geht es dann auf Landstrasse weiter und Antonia muss bespasst werden. Da kommen die unzaehligen Speed Bumps, die durch grossflaechige gelbe Schilder angekuendigt werden, gerade recht. Jeder Hubbel wird durch uns mit einem grossen O angekuendigt und von der Kleinen auf der Rueckbank mit einem kleinen O quitiert.
Der Strand ist unverbaut; die Sandbucht ist umgeben vom Regenwald und eingefasst von hohen, von der straken Brandung geschliffenen Felskanten auf denen sofort wieder der Urwald thront.
LOST. Wow. Gleich muss Hurley um die Ecke kommen, da sonst niemand da ist.
Wir muessen unser Lager gluecklicherweise nicht aus
Erinnert uns an das Familienhotel auf Kho Lanta, in Thailand.
Auch der Pool mit seinen Kinderplantschbecken ist total schoen. Koennte Toni reden, wuerde sie das lautstark bejahen, da bin ich mir sicher, ist sie es doch, die unermuedlich mit ihrem Strandgeschirr (Eimer, Giesskanne, ...) Wasser aus dem Plantschbecken umfuellt, ausgiesst, rumspritzt, trinkt etc.
Wirklich schoen anzusehen, wie sie auch im Urlaub an ihren "kausalen Erfahrungen" arbeitet:
- ein Eimer voll Wasser ist deutlich schwerer als ein Leerer (aber ich krieg ihn dennoch hoch)
- wenn ich die Giesskanne ueber den schlafenden Papa giesse, wird er mit komischen Gesichtsausdruck wach
- Papa's Badelatschen schwimmen, Mamas Sonnebrille dagegen nicht...
- je knackiger der Hintern, desto knapper der Tanga. (Moment mal - das ist jetzt Papa's Eindruck!)
Waehrenddessen mache ich erste Erfahrungen mit den lokalen Getraenken.
Ich sag Euch: die Caipirinhas sind ...
... Wahnsinn!
Wohl aehnlich zu dem Riesling in den Stettener Weinbergen kann der Caipirinha wohl nur in Brasilien seinen vollen Geschmack entfalten... Prost!
Alle andere Getraenke schaff ich nicht mal zu bestellen.
Selbst die elementare Bierbestellung scheitert klaeglich: ich bekomme Malzbier.
Immerhin: das Zeug ist arschkalt, hat 4,8 Volt und schmeckt saugut. Und: es steht doch tatsaechlich "Malzbier" drauf.
Leider bekomme ich nun, wenn ich schon genau dieses Malzbier bestellen will, wieder normales Bier ausgehaendigt. Kruzifix!
Ich gebs auf und nehme nun einfach eine leere Flasche mit um zu zeigen, was ich will. Das klappt, selbst wenn ich eine bayrische Hoeflichkeitsformel bei der Bierbestellung verwende: "Geb ma a Bier, du Sauhund!"
Nein, Spass beiseite: mit Englisch, geschweige denn mit Deutsch ist hier kein Durchkommen. Null. Wir sind absolut mit allem und überall auf Yanina und Tobi angewiesen.
Also Zeit ein wenig Portugiesisch aus dem Kauderwelsch Buch zu lernen:
(Sehr geil Seite 120 aus dem Kapitel "Sex und Liebe" - in unveraenderter Reihenfolge - ich schwoer!):
Eu gosto de voce
(Ich mag Dich)
Voce e muito lindo
(Du bist sehr huebsch)
Sou rico e solteiro
(Ich bin reich und ledig)
Sanela haengt unter der Decke und friert... Ohne Worte.
Das denkt sich wohl auch Toni, die vom Bett runterkriecht und mit roten Backen zu mir unter den Schreibtisch krabbelt, wo der Lueftungsschacht der Klimaanlage sitzt.
Erste Versuche des abendlichen Fleischkonsums enden in einem auf den Punkt gebratenen Stueck Picanha vom Rind, das zwar wunderbar medium rare gebraten, leider aber dennoch ziemlich sehnig und zaeh ist.
Das Fleisch wird anstandslos zurueckgenommen und - als das neue Stueck Fleisch kommt - bleibt der Kellner so lange am Tisch stehen bis ich mit glaenzenden Augen ein zufriedenes und internationales "Hmmm" von mir gebe.
Die Zeit fliegt und so sind die 3 Tage am Meer schnell rum, Zeit zum Auschecken.
Um 16.00(!) muss man hier raus, so dass aus den 3 Tagen Kurzurlaub fast 4 werden. Cool.
Zurueck in Sao Paolo wird das schnelle Shoppen um die Ecke ein weiteres Erlebnis.
Bis auf 0,6l Warsteiner und dem Erdinger Erlebnispack (Weissbier + Glas) gibt es hier neben Kinderschokolade absolut nix Bekanntes.
Dafuer gibts getrockneten Fisch am Haken, der aussieht wie einer Schweinehaelfte und riecht wie Parmesan sowie einen Wurstverkaufer, der nicht weiss ob er Gefluegelsalami hat und daher alle Salamis ausgiebig, Stueck fuer Stueck einer Etiketteninventur unterzieht... Wenn ich mir das beim Vinzenzmur in Muenchen vorstelle muss ich an offene Rebellion denken.
Das herausstechenste Ereignis des naechsten Tages (inzwischen ist es Sonntag der 20. 12.) ist neben dem Trainieren mit Transvestiten in YaTos Fitnessstudio um die Ecke zweifelsohne das konkurrenzlos gute Rodizio bei Fogo de Chao. Ein Wahnsinnsladen, dessen Qualitaet sich schon an der Schlittenschlange des Valetservices Erahnen laesst.
Dank des inzwischen bekannten Kleinkindservices schaffen wir es sofort an der Warteschlange vorbei und koennen nicht einmal den Prosecco als Starter / Wartezeitverkuerzer austrinken, geschweige denn die angebotenen Huehnerherzen und die dazu gereichte typisch brasilianische Wurststueckchen essen - der Tisch ist bereitet!
Wir biegen mit den Kindern und den Kellnern, die uns den Prosecco hinterhertragen um die Ecke - und mir bleibt die Spucke weg:
Ein Bienenschwarm von aeusserst geschaeftigem Personal, das aufdeckt, abraeumt, Getraenke bringt und natuerlich Fleisch von den Spiessen auf die Teller der Gaeste runterschneidet.
Wow. Ich widerstehe kurz der Versuchung, mich auf den Boden zu legen und mir gebratene Wachteln in den Mund fliegen zu lassen.
Am Tisch angekommen finden wir zwei wichtige Details in Papierform vor.
Ein anatomischer Laengschnitt durch eine Kuh, das schematisch die verschiedenen Schnitte illustriert (23 allein auf diesem Bild): Top-/Bottom-/ oder normales Sirloin, Short ribs, Prime ribs, Filet mignon, Rumpsteak, etc. p.p.
Nur der Zwiebelrostbratenschnitt fehlt. Geht wohl nur bei dem schwaebischen Rindviechern...
Das andere Detail ist eine Art Bierdeckel, auf der einen Seite gruen, auf der anderen rot. Ihr koennt Euch vielleicht denken, wofuer der gut ist: rot als Zeichen fuer den Kellner, dass "kein Interesse am Gespraech waehrend ich esse" - sprich: erstmal kein Nachschub; gruen: "her mit dem Zeug!".
Was dann kommt koennt Ihr Euch auch denken: obwohl uns Toni abwechselnd durch das Lokal scheucht, ueberfressen wir uns gewaltig.
Ein eiskalter Cachaca und ein doppelter Espresso ermoeglicht es mir, das Lokal aufrechtstehend zu verlassen. Der anschliessende Spaziergang in einem der Stadtparks tut das Uebliche, um den Verdauungstrakt zumindest ein wenig Unterstuetzung zu kommen zu lassen.
Genau das richtige Training, denn heute wollen wir zum Spareribs-Essen in einen anderen Laden.
Dort soll das Fleisch so zart sein, dass es durch blosses Auflegen des Messers vom Knochen gleitet.
Ich bin gespannt - und werde berichten.