Der 2. April – der Tag der Hochzeit beginnt langsam. Und daran ist nicht unbedingt der Vorabend schuld, sondern auch das Einkostuemieren – haben die Kaufmaenner doch extra Lederhose und zwei Dirndl mitgebracht, in die sich nun bei gefuehlten 30 Grad gezwaengt wird, bevor es um 12.00 Uhr abgeht zu unserer ersten taiwanesischen Hochzeit.
Und die sieht wie folgt aus: Mann sperrt vor einer kleinen Mehrzweckhalle die Strasse ab, spannt eine riesige Roehre aus bunter Zeltbahn. Stellt siebzig Tische a zehn Personen auf. Baut nebenan eine mobile Kueche auf und karrt Lastwagenweise Seafood und Anderes an, das - direkt zubereitet - in dreizehn Gaengen auf den Tischen der Gesellschaft landet.
Die Gesellschaft selbst ist gemischt festlich gekleidet. Kaum Kleider aber – bis auf die Lederhosen von Henni, Martin, Hans und Marc - ueberwiegend lange Hosen. Das darf dann durchaus auch mal Jeans und T-Shirt sein.
Wir kommen an, da sind alle Tische schon besetzt. Also ran an den Fisch und los geht’s mit rotem Thunfisch als Sushi. Lecker. Dann wird es zunehmends unbestimmbarer. Schuessel an Platte an Schuessel kommt bei uns an den Tisch. Bald ist der Tisch restlos voll von Geschirr – ohne das wir auch nur annaehernd das verputzen was da steht, und ohne das das Personal Anzeichen macht abzuraeumen. Das uebernimmt Henni fuer uns. Immer wenn sie neu auftischen, geben wir eine angegessene Platte mit auf den Servierwagen.
Toni schlaeft unter den Bose-Boxen der Band. Neben Saxophon, Querfloete und Saengerin steht ein Familienunternehmen mit auf der Buehne. Papa am Synthesizer, Tochter 1 und Tochter 2 in aeusserst interessantem kurzen Kostuemchen inkl. Huetchen am Kopf auf der Buehne. Beaeugt und kontrolliert von Mama, die am Mischpult neben der Buehne sitzt. Zum Besten gegeben wir ueberwiegend Musik taiwanesisches Geschmacks – genau wie beim Essen, das zunehmend Herausfordernder wird...
Unvergessen das dampfende Etwas, das in einer mit Klarsichtfolie abgeklebten Schuessel angeliefert wird. Klare Bruehe, mit einem grossem Stueck undefinierbaren Schwarzen. Ich brauch einen Moment zu begreifen, was da vor mir schwimmt: ein Huehnchen. Am Stueck. Ausser Federn all inklusive sozusagen. Paloma belebt mit ihrem Staebchen das Huehnchen wieder. Gekonnt greift sie es am Nacken und laesst so den Huehnerkopf sich aus der Suppe erheben. Dazu kraechzt sie ein wunderbar echtes Huehnerkraechzen, so dass schnell allen anderem am Tisch ebenfalls klar ist, was da drin schwimmt…
Bei vielem anderen ist das nicht so klar und so dauert es auch zu bestimmen, was da nach einem Obstgang als Naechstes auf den Tisch kommt. Braune Masse. Sieht nach Fleisch aus, ist aber viel zu wabelig. Nachdem man die Haut durchstossen hat, kommt doch tatsaechlich ein Stueck Fleisch zum Vorschein.
Kostprobe.
Schweinshaxe!
Und, direkt dazu gibt’s doch tatsaechlich weisse Knoedel. Cool.
Die Knoedel entpuppen sich allerdings als Fischknoedel.
Klingt komisch. Ist auch auch komisch. Macht aber nix ;-)
Neben den Kostproben koennen wir gut sehen, wie das Brautpaar von dem Brautvater an alle 70 Tische gejagt wird. An jedem Tisch wird angestossen – mit beiden Haenden am Glas – ein paar Worte gewechselt, dann geht’s weiter. Viel zu Essen gibt es so fuer das Brautpaar auf ihrer eigenen Hochzeit auf jeden Fall nicht. Nebenbei zieht sich die Braut nochmal um und wechselt vom weissen ins rote Kleid. Bezaubernd sieht sie in beiden aus!
Und dann ist auf einmal Schluss. Die Musik spielt noch ein Lied waehrend die Leute am Nebentisch die Tueten zuecken und anfangen die gesamten auf den Tischen verbliebenen restlichen Speisen einzupacken. Auch die Suppen werden in durchsichtige Tueten gegossen und so schwimmen sie dahin, die Huehnchen, die Fischknoedel und alles was noch so auf dem Tisch – inklusive dem Brauttisch – stand, in transparenten Tueten.
Cool.
Dann beginnt das Aufraeumen. Waehrend wir noch am Tisch sitzen, packt die Band zusammen, die Tische werden jetzt in unglaublicher Geschwindigkeit vom Geschirr befreit, die Tische zusammengeklappt, und auch die riesige Roehre aus Zeltbahn ist in weniger als 20min komplett zusammengepackt und verladen. Wie ein Bienenschwarm brummt es um uns herum. Von Fest keine Spur mehr. Um nicht unnoetig im Weg rumzustehen, gehen wir nach draussen und sehen ueberall hektische Betriebsamkeit. Die Teller werden von unzaehligen Leuten per Hand mitten auf der Strasse gespuelt, verpackt und genauso wie der Pavillion der mobilen Kueche auf einen Laster verladen. Wahhaahnnsinn.
Bei uns geht’s deutlich ruhiger zu. Wir latschen in unserer Tracht durch Donggang in unser Hotel zurueck – und werden begafft wie Aliens. Gut. Gewissermassen sehen wir so ja auch aus.
Richtig gechillt wird es am Abend an der Hafenmole. Neben imposanten Wellenbrecher gibt es Barbequeue. Wir sitzen an Tischen, die alle ueber eine Aussparung in der Mitte einen Grill eingelassen haben, in dem die Grillkohle bereits ordentlich fuer Hitze sorgt. Es gibt allerfeinstes an verschieden Spiessen zum selber drauflegen. Raclette auf taiwanesisch sozusagen. Anstatt Kaese hier vor allem Seafood: Tintenfisch, Squid, Fischkekse, Schnecken, Muscheln, Austern, Aal aber auch Rind, Schinkenroellchen und verschiedenes Gemuese findet man.
Fies sind die lebenden Krebse, die man draufwirft und bei lebendigem Leibe garbruzelt – da ist auch durch verzweifeltes Zucken der Scheren kein Entrinnen mehr drin.
Cool auch die Muscheln. Geschlossen auf den Grill gelegt, signalisieren sie den perfekten Genusspunkt selbst: sie ploppen auf. Warm, salzig und saftig gehen sie den Gaumen runter. Mmmmhh…
Dazu gibt es natuerlich Taiwan Bier aus 0,6l Humpen in 0,125l Eierbechern. Zeit fuer mein Taiwanesisch: „Kampai“.
Nervig ist nur die unveraendert starke Fotolust an der Toni. Hat man das kleine Energiebuendel endlich mal ruhig am Tisch ist das staendige Angetippe, Abgelenke und Geblitze einfach unangebracht. Caroline Held, die achtjaehrige Nichte von Sepp – selbst blond – spannt beim Spiel mit der Toni einen Regenschirm als Fotoschutz auf. Der wird rigoros weggestossen. Manchmal reichts dann auch. Die anderen kleinen Helds – Fritz (5, blond) und Georg (4, rote Haare) – haben laengst ihre Fotopose drauf: Zunge raus zum Blitz.
Randvoll gefuellt bitte ich um einen Schnaps – und bekomme den beruechtigten Gauliang. Das ist einer, aus Kinmen stammender, aus Reis gebrannter Schnaps. Kinmen, das ist die taiwanesische Insel direkt am chinesischen Festland. Militaerisch schon immer bedeutsam ist die Insel voll mit Soldaten – und Gauliang der Schnaps der Soldaten.
Und so schmeckt er dann auch.
Es geht zurueck ins Hotel. Packen fuer den Inseltrip morgen nach Liuchiu.
Das erzaehl ich Euch im naechsten Blog. Dann wieder aus Muenchen, denn die Zeilen gibt es im Moment aus der Businesslounge im Flughafen von Hongkong. Wir sind bereits wieder auf dem Rueckweg und haben niedliche acht Stunden Aufenthalt in Hongkong.
Es gibt noch einiges zu berichten, von den Motoboys auf Liuchiu oder taiwanesischem Springbreak in Kenting zum Beispiel. Bleibt dran. Es lohnt sich.