Dienstag, Januar 12, 2010

Turbosightseeing und ein Tag am Meer

[München, 13. Januar 2010]

Silvia ist die perfekte Reisefuehrerin. Dass muss wirklich mal gesagt sein.
Zielsicher steuert sie am Neujahrsmorgen die Gondel zum Zuckerhut als erstes Sightseeing Ziel an. Genauso zielsicher vorbei an der ca 50m(!) langen Schlange die da aus der Talstation ragt. Und siehe da. Innerhalb der Station eine Kasse, an der niemand wartet.
Verstehen muss ichs nicht - Karten kaufen schon.
Gesagt getan und schon sind wir in der naechsten Gondel rauf auf den Zuckerhut
.
Oben dann ein fantastischer Blick auf die Stadt, ihre geschwungene Buchten mit den beruehmten Stadtstraenden. Dazwischen hohe, abgeschliffene Felsen. Auf einem davon blickt Christus mit ausgebreiteten Armen hinab. Toni dagegen haengt mit verschraenkten Armen easy in ihrem Buggy ab und verpennt 2/3 der Aussicht. Die wird sich mal aergern...

Genau diese Statue auf dem Corcovado ist unser naechstes Ziel. Wieder unten erzaehlt uns der Taxifahrer des naechsten "erbeuteten" Taxis (vor der Station geht es in der Tat zu: noch mehr Leute wollen hoch und die, die oben waren, wollen weg) das heute auf dem Corcovado niemand mehr hochkommt. Auf dem Zufahrtsweg ist ein Auto liegengeblieben und der Rest kommt weder vor, noch zurueck. Ein Kollege waere oben eben angekommen; nach 31/2h Fahrt. Am naechsten Tag werden wir erfahren, das da kein Auto liegengeblieben ist, sondern jediglich ein schief geparktes Auto zuviel da oben den Hochgeschwindigkeitstransfer ausgeloest hat...

Wir disponieren um und fahren zur Stadtbahnhaltestelle der ollen Stadttra
m nach Santa Teresa. Hier faehrt eine uralte, aussen offene Strassenbahn - aehnlich dem CableCar in SanFransisco - hoch auf den Huegel, auf dem frueher mal die Reichen und Schoenen Kaffebaronen hausten, bevor sie sich entschlossen an die Copacabana umzusiedeln.
An der Trambahn angekommen erwartet uns bereits eine weitere Menschenschla
nge. Diesmal ohne Aussicht auf Abkuerzung.
Fuch und Segen des Neujahrtages, eines der wenigen Feiertage der Brasilianer. Was uns gerade noch eine irre Stadtrundfahrt per Taxi ueberhaupt ermoeglicht; die historische Altstadt von Rio - sonst von Menschenmassen und Autos absolut verstopft - ist jetzt menschenleer. Nur unser Taxi faehrt durch die engen Gassen der farbigen kleinen Haeuschen im Kolonialbaustil, daneben ohne Uebergang Wolkenkratzer, dann eine Kapelle, dazwischen lehnen sich ein paar Palmen an die Hashwand um daneben wieder ein Kolonialhaeuschen sichtbar zu machen.
Alle drin befindlichen Laeden sind zu.
Alle.
Tja, und dieser Segen der uns diese flotte Fahrt durch diese strange Geisterstadt ermoeglicht, ist eben auch ein Fluch, da die Trambahn im Feiertagsmodus faehrt: 1 Linie statt 2, 30min statt 15min Takt.
Wir wollen also nicht in der Sonne grillen, sondern Gegrilltes essen. Also geht es per Taxi hoch nach St. Teresa.
Steil nach oben gehts. Und wieder sind wir nicht alleine
vor den einzigen zwei Restaurants, die dort oben offen haben. Waehrend wir wie Suender auf Einlass warten, erzaehlt mir Jess das direkt oberhalb St. Teresa eine Favela anfaengt.
Be
i ihre letzten Besuch hat Silvia hier zwei Amis in Tourimontour gerade noch zurueckgeholt. beide waren im Begriff direkt in die Favela aufzusteigen und damit ihre Wertsachen zu "spenden".

Wir haben genug vom Warten in der Schlange und fahren - richtig, per Taxi - hinab zur Laufweite zur Escadaria Selaron. Hier arbeit seit 20 Jahren der Schorsch, Verzeihung der Jorge an einer Treppe, in die er unterschiedlichste Fliesen aus aller Welt zu einer Art grossem Mosaik zusammenfuegt.

Bevor es aber zu dieser Treppe geht, gibt es einen (recht teuren) Haps zu Essen. Immerhin ist das Personal super freundlich - wie eigentlich ueberall in Brasilien. Und auch das auf -3 Grad gekuehlte Schopi schmeckt geil bei dieser Hitze.

Obwohl die Treppe wohl in Laufweite liegt empfiehlt man uns im Restaurant unbedingt ein Taxi zu nehmen.
Als wir im Taxi sitzen, wird mir klar warum.

Ueberall ziemlich abgerissene Gestalten, barfuss, oben ohne nur in Shorts mit fil
zigen Haaren.
Der Taxifahrer hat keine Ahnung wo Rio's - laut Reisefuehrer - drittberuehmteste Touristenattraktion hier in der Naehe sein soll und muss erstmal anhalten. Mitten im Geschmeiss.

Zeit sich die Leute genauer anzuschauen - und Zeit fuer die Leute sich uns genauer anzuschauen.
Im Hauseingang links druecken sich drei keine Jungs rum um der Hitze zu entgeh
en. Alle drei barfuss und nur eine Badehose an. Zwischen den abgerissenen Leuten ueberquert ein junges Maedchen - hochschwanger - die Strasse. Rechts laeuft ein verfilzter Kerl mit entzuendeten und aufgequollenen Beinen. Ueberall drumrum verwesendes Lebendes.
Mann, hoffentlich hat der Taxler sich bald aufgeschlaut...

Es geht weiter. Die Treppe selbst ist nicht so ganz um die Ecke und auch hier lungern Leute rum, die wirklich nicht als Touristen durchgehen. Aber d
er Kuenstler selbst ist da und scheucht die Leute von seiner Treppe.
Taxi wartet, Jess und ich steigen aus. Silvia kommt mit der Toni nach einigen Momenten nach.

Die Treppe ist wirklich affengeil: mitten in einer eher heruntergekommenen Haueserzeile hat der Mann in roter Shorts, Husarenbart und roter Muetze einen strahlenden roten Eingangsbereich gefliesst, an dem eine aus vielen, vielen unterschiedlichen Kacheln bestehnde Treppe emporsteigt.
Ich erkenne viele Kacheln mit eurpoaeischen Motiven. Paris, Amsterdam, Marseille, Berlin.
Der Maestro selbst laedt uns ein, mit ihm seine Treppe zu erkunden.
Wir machen aber nur ein paar Bilder um Sanela und das Taxi nicht zu lange im Auto warten zu lassen.

Naechster Halt: Corcovado, Talstation. Hier faehrt eine Bergbahn hoch zur Christusstatue die seit 2007 eine der sieben neuen Weltwunder ist. Auch hier macht uns die Masse der Menschen einen Strich durch die Rechnung. Alle Zuege die naechsten 2 Stunden sind restlos ausverkauft, wir koennen nur mit einem - richtig, Taxi - dann mit einem Minivan ganz hoch.
Kraeftig ueberfuettert streichen wir aber die segeln und fahren heim. Heben uns den Guten fuer morgen auf.
Silvia und Jessy zieht es am Abend wieder auf die Copacabana - die Kaufmaenner lassen es ruhig angehen und wollen Sylvester nachfeiern. Also mach ich mich in der Daemmerung auf die Socken um noch ein bisschen zu Essen und zu Trinken einzukaufen.

Alles zu. Immer noch. Mist. Auf dem Rückweg steh ich vor unserem Haus, schaue in den Himmel hoch und sehe die Christusstatue, wie sie direkt an unserem Haus vorbei auf die Stadt blickt. Und das in der Daemmerung. Wow. Was fuer ein Bild. Ich lasse mir von Sanela die Kamera runterwerfen und fange an mit dem Stativ und verschiedenen Einstellungen das restliche Licht des Tages zusamen mit der angestrahlten Statue einzufangen.

Auf einmal ein deutliches Signal aus dem Fenster: "Marc komm hoch, da sind zwei Typen hinter Dir her! Ohne mich umzudrehen geh ich ueber die Strasse und passiere den stabilen Metallzaun, der das Haus sichert. Oben sagt mir Sanela, das mich zwei Halbstarke mehrmals auf Fahrraedern umkreist haben und meine Fotosession studiert haben. Dann sind sie in meinem Ruecken an mich herangetreten...
Ich schau aus dem Fenster und seh die Beiden. Interessiert haben sie sich auf eine Parkbank gesetzt und sch
auen nach oben. Unsere Blicke treffen sich. Ohne mit der Miene zu zucken, zieht der eine Tabak aus der Hose und faengt an, eine etwas grosse Zigarette zu bauen....
Tssss. Ob die nach Feuer fragen wollten?

Der naechste Tag beginnt da, wo wir gestern schon waren: Talstation Corcovado. Wieder Massen. Und wieder Hitze. morgens um 10h30 sind es bereits 36 Grad. Silvia findet ein kleines Loch in der Rueckwand des Kassenhaueschens aus dem ebenfalls Karten verkauft werden. Anstatt also vorne lange zu warten, sind wir durch das Loch wieder einmal deutlich schneller an den Karten dran. Wir kaufen Karten fuer den Abend um den Tag nicht in der schwuelen Hitze innerhalb einer Schlange sondern an der Barra, Rio's Strand der Schoenen, eine Stunde ausserhalb Rios zu verbringen.

Auf zur Barra! An der Strandstrasse fahren wir nocheinmal die beruehmten Straende Richtung stadtauswaerts ab: Copacabana, Ipanema, Leblon, durch mehrere Tunnels und vorbei an Lateinamerikas groesstem Slum.
Die Strecke ist Silvia jeden Tag zwei jahre lange mit dem Bus aus der Barra wo sie gewohnt hat an die Copacabana gefahren.
Wir sehen einen roten Helikopter der nah am Strand ueber dem Wasser wie festgenagelt in der Luft steht. Wird da jemand aus der Brandung gezogen?

Dann kommt die phänomenale Skyline der Barra in den Blick. Weit ausgestellte, frei stehenden Skyscraper kratzen am Himmel, davor der Strand, dahinter eine Lagune. Erinnert mich sofort an Miami Beach. Mit viel schoenerem Strand und weit maechtigerer Brandung.

Wir gehen Freunde von Silvia besuchen, die innerhalb einer dieser Wolkenkratzer ein grosses Appartement haben. Sofort beim Reinkommen, haben wir das erste Bier in der Hand. Gekuehlte Glaeser, klar. Man sieht mich an, mustert mich kurz, dann greift man an den 0,3l Buechsen vorbei und drueckt mir eine 0,5l Buechse Bier in die Hand. Ich muss Jessy mit seiner 0,3l Buechse belaecheln. Mann, diese brasilianische Gastfreundschaft taugt mir einfach!
Grosse Wiedersehensfreude in der Wohnung - eine Hammeraussicht auf dem Balkon.
Seht selbst.

Es geht runter an den Strand. Dort spult Silvia das volle Programm ab und laesst uns ein um die andere Spezialitaet der Strandverkauefer probieren. Die laufen hier sogar mit kleinen Holzofengrills durch die Gegend, auf denen sie Grillkaese zubereiten... Irre.
Ein paar Scampis am Spies? Her damit!

Dann geht es in die Brandung. Die anderen am Strand muessen sich denken: "Wow, schwimmen mit Whitey" bin ich doch das einzige Kaesbrot hier am Strand...
Stimmt nicht ganz: Toni in ihrem Sonnencreme-Lack sieht aus wie eine absolut weisse Kalkleiste.
Eine Kalkleiste, die den Schlaf der Erschoepfung unter einem Sonnenschirm schlaeft.
Recht hat sie.
Ich spiel noch ein wenig Korken in der Brandung, dann geht es auch schon wieder zurueck in Richtung Innenstadt. Wow, hier kann man auch noch ein paar Stunden laenger bleiben.
Das denken sich auch Silvia und Jessy, die den Christus ja schon kennen, und bleiben in der Barra. Wir verarbreden uns um 20.00h zu Hause und dann geht es auch schon los, per Taxi zum Corcovado.

Am Corcovado selbst ist wieder Schlange stehen angesagt. Dank der Toni muessen wir nicht anstehen, sondern koennen, kurz bevor unser Zug einfaehrt, vor allen anderen in den Einstiegsbereich. Dann gehts hoch, durch ne Favela, in den Regenwald und wieder raus - mit fantastischem View - und vollgeschissener Windel. Unterhalb des Christus wird dann erstmal ne frische Windel angelegt. Keine Wickelmoeglichkeit weit und breit. Also muss eine Bank direkt unterhalb des Sockels herhalten. Die letzten Stufen, dann sind wir oben.
Ein Gedraenge wie auf der Wiesn. Ueberall Leute
die entweder posieren (mit ausgestreckten Armen), oder fotografieren. Auf Teufel komm raus wird geschoben, gedraengelt, gepost und geknipst. Im Sockel des Christus wird sogar gerade geheiratet. Und alle die sich drumrumschieben, schauen zu. Eine Stimmung wie beim PC-Schlussverkauf beim Aldi.

Wie Schade, denn der View ist fantastisch; die Sonne geht unter und scheint dem Herrn aus Speckstein phänomenal in den Rücken; Helikopter schiessen aus der Stadt nach oben, kreisen um die Statue - und fallen wieder ab. Und dabei sind jetzt
auch schon die ersten Sterne zu sehen.

Wir haben bald genug. Auch, weil wir nicht komplett im Dunkeln wieder unter ankommen wollen.
Leider laesst die Bahn auf sich warten. Zeit fuer Toni uns wieder die Tuer zu oeffnen: muessen wir doch zunaechst wieder in der Schlange warten, bevor uns einer der Angestellten wieder vor auf die Plattform laesst. Auf der Plattform stehen wir zunaechst ganz hinten bis Antonia mit einem brasilianischen Baby Freundschaft schliesst und die beiden - total suess - auf der Plattform spielen. Wir lernen eine niederlaendische Reiseleiterin kennen, die uns im Zug beste Plaetze reserviert und uns unten den besten Weg nach Hause erklaert.

Unten angekommen - im Dunkeln - geht die Jagd auf die Taxis los und wir merken schmerzlich, das Silvia fehlt. Nach einigen Fehlversuchen springen wir doch in ein Taxi und los gehts nach Humaita. Der Taxifahrer schlaegt zunaechst genau die entgegengesetzte Richtung ein. Durch Winken in die Richtung, die uns die Reiseleiterin gezeigt hat und energisches Wiederholen unserer Adresse, dreht er schliesslich und setzt uns um 20.30h auch genau da ab, wo wir wohnen.

"Wo wir wohnen" ist schoen gesagt, denn die Wohnung ist dunkel und der Wachmann laesst uns nicht rein. Wir nennen die Nummer des Appartements - und er sagt nur "Renata". Richtig, Renata hat Silvia ihre Wohnung ueberlassen, damit wir darin Silvester feiern, Bloedmann.
Aber erklaer das mal dem Burschen. Bevor wir in Konversation mit Haenden und Fuessen einsteigen, kommen andere Bewohner des Gebauedes nach Hause und übersetzen. Die koennen doch tatsaechlich Englisch und so muessen wir nicht in stockfinsterer Nacht vor dem Haus warten sondern koennen die Eingangshalle beziehen.

Mit ordentlich Verspätung kommen Silvia und Jessy angehetzt und nach Beruhigungsbier fuer alle ziehen wir in unsere letzte Nacht in Rio. Es geht nach Lapa, DEM Viertel in dem das Nachtleben Rios pulsiert.
Wow, mir bleibt die Spucke weg: Kneipe and Bar, Clubs, Discos, Lounges, überall Sambabeats, lange Schlangen vor den Clubs und Menschen, Menschen, Menschen. Das Ganze gleicht eher einem Strassenfest. Silvia hat von ihren Freunden aus Rio einen Club empfohlen bekommen und den steuert sie jetzt zielsicher an und zwar vorbei an der 20m langen Schlange, direkt zum Tuersteher. Und der gewaehrt uns sogar direkt Eintritt, wenn wir den doppelten Eintritt bezahlen. 50R$ fuer die Dame, 80R$ fuer den Herrn.

Wir passen, wollen die Kohle lieber in Caipirinha anlegen. Doch wo? Alles ist brechend voll.
Mit Glueck schaffen wir es an einen gerade frei werdenden Tisch, bestellen - und warten.
Nachdem Jessy den Barkeeper kennenlernt, geht alles besser. Die Caipis kommen, die Schopis auch und als wir zahlen, entpuppt sich der Barkeeper als Besitzer mit Stuttgarter Wurzeln.
Cool.
Noch cooler - er laedt uns in seinen Club obendrueber ein. Wir steigen die Treppen hoch. Livemusik einer Band die ziemlich geil lokales spielt und internationales covert. Wir schwingen mit, steigen noch eine Treppe nach oben und stehen ploetzlich unter dem freien Himmel Rios.
Wahnsinn. Ein Blick nach unten durch die Treppen zeigt die Band und die tanzende Meute, ein Blick nach oben das Funkeln der Sterne. Ein saugeiler Abschluss fuer die Tage in Rio.

Am naechsten Tag geht es zurueck in den Regenwald zu Guenther und Neja. Von schwuelheissen 36 Grad in angenehme aber feuchte 26. Hier wird wieder ein Gang runtergeschaltet und wieder schwer geschlemmt. Zum Schluss unserer Reise geht es nochmal mit der ganzen Bande in zwei Mietautos durch die phaenomenale Bergwelt von Nuovo Friburgo an den Strand von Rio das Oistres.
Auch schoen am Tag drauf der Besuch im Jardim do Nego - im "Garten des Negers"
Hier werkelt ein kauziger aber total netter Farbiger mit grauen krausen Haaren und drittem Auge auf der Stirn seit 30 Jahren an einem steil ansteigenden Stück Regenwald.
Er arbeitet aus dem Lehm des Bodens wirklich beeindruckende Figuren heraus, in die er die auf dem Grundstueck vorhandenen Topologie mit Felsen, Bauemen etc. perfekt einfliessen laesst. Die so modellierten Figuren laesst er dann ueber Jahre mit Moos ueberwuchern, so dass eine sagenhaft gruene Farbe die Figuren ueberzieht.

Am beeindruckensten ist fuer mich die "Gebährende." Eine ca 6m hohe Figur, die eine Indianerin in hockender Gebaehrstellung zeigt, mitten im Geburtsvorgang. Je haeufiger man die Figur ansieht, desto unteschiedlicher laesst sich der Gesichtsausdruck deuten. Schmerz, Freude, Furcht, alles ist drin. Wow.

Am letzten Abend schickt uns Guenther nochmal in die Churrascaria, damit wir das Fleisch in Brasilien auch nicht so schnell vergessen werden. Dazu gibts einige Caipiroschka, damit ich wohl erst wieder in Brasilien dem Cachaca verfalle und in Deutschland einen schoenen Bogen drum mache...
Es kommt wie es kommen muss: wir verlassen den Laden als Letzte - mit weiten, gefuellten Maegen, na klar und - am naechsten Tag - das Land mit Wehmut.
Schoen wars.

22h Reisezeit später, einem Koffer auf Irrwegen zwischen Rio, Lissabon und München und 40(!) Grad kälter sind wir zurueck mit Tief Daisy in Muenchen.
Uffa. Auch Toni ist perplex: Von Badelatschen in Strumpfhose, dicke Socken und Winterstiefel und: was ist das fuer weisses Zeug ueberall da draussen, in das ich knietief versinke?

Sonntag, Januar 10, 2010

Silvester an der Copacabana

[Rio de Janeiro, 31. Dezember 2009]

Waessrige Caipis? Fuer 10R$? Nicht mit Jessy - und schon garnicht mit der Reiseleitung. Es wird reklamiert und der Liegestuhlverleiher und Getraenkeverkaeufer himself kommt mit Pitu Flasche vorbei um vor unseren Augen einzuschenken.
Ich lass voll mit Pitu aufgiessen. Probiere und bin nicht sicher, ob die Flasche nicht vielleicht mit Wasser gestreckt ist...

Schraeg vor uns bemerke ich geschaeftiges Treiben einer Gruppe Favella-Kids. Mit grossen Taschen. Was machen die da? Plastikbecher, Tablets, Limetten...

... die machen eigene Caipiroschka! Flux ist ein Tablett voll und los gehts zum Verticken in die Menge. Jessy - noch sauer ueber seinen ersten Pansch - haelt ihn an und kauft fuer 1R$(!)
... den naechsten Pansch.

Auch hier wird reklamiert und vor unseren Augen aus der Smirnov-Wodka Flasche aufgegossen.
Hier bin ich mir aber fast sicher das da kein echter Sprit drin ist... Warum sollten die armen Teufel Markenware verhoekern?
Mir ist das Wurscht, nippe an meinem 10 R$ Caipi, lehn mich zurueck und schau mir die Leute an.

Sehr jung ist das hier alles. Viele Kids und auch ein paar Kleinkinder. Muss an meine zwei Lieben denken. Das erste Mal seit 13 Jahren, dass ich ohne Sanela Sylvester verbringe...


Fuer Wehmut ist aber keine Zeit, denn es geht auf die 12.00 zu und nun wird es auch unmittelbar vor uns voll. Ich kann die schwimmende Plattform auf denen das Feuerwerk gezuendet werden soll schon lange nicht mehr sehen, da laufen vier Frauen in Cocktailkleidern an mir vorbei und bleiben an den leeren Stuehlen von Chica und Silvia stehen. Demonstrativ werden da Schuhe ausgezogen und ausgeklopft. Ich wundere mich und mustere die Maedels: Die Erste im roten Kleid ist haesslich wie die Nacht; die grosse Blondine mit ihren langen glatten Haaren kann ich nur kurz im Profil sehen und die rassige Mulattin im weissen Kleid zeigt mir nur ihre langen Beine ...
Was die 4 hier vorhaben?

Als die Blondine sich mir komplett zuwendet und den Mund aufmacht weiss ich Bescheid: die 4 "Damen" sind hier auf Freierschau und bringen ein besonderes "Extra" mit ins Schaeferstuendchen...
Soso.
Jessy schmeisst sich weg und auch ich muss grinsen. Die 4 Transen zischen ab.
Dafuer kommen Silvia und Chica wieder zurueck, die sich ein wenig in Richtung Videoleinwand gewagt haben.
Auf eben dieser beginnt der Countdown zum Jahreswechsel.

Über unseren Koepfen zischen die Helicopter der TV Anstalten, alle stehen auf um puenktlich bei 0 ein Feuerwerk zu sehen, dass es in sich hat. Aus den sechs, an der ganzen Bucht verteilten schwimmenden Plattformen fackeln die Feuerwerker 12 min ein unglaubliches Ding ab. (Guggst du youtube
I, II)
Zwar werden hier nicht so perfekt abgestimmte und fein detaillierte Lichtbilder in wie zum Beispiel im Walt Disney Escot Vergnuegungspark in Orlando in den Himmel gemalt, nein, hier ist es die schiere Masse an Feuerwerkskoerpern.
Der ganze Himmel ist voll. Ueberall explodieren Raketen, Streulichter, goldener Regen am grauen Himmel von Rio.

Teilweise ist der Himmel so hell, dass die Farben zurueckkommen. Das T-Shirt meines Vordermannes ist einwandfrei rot. Wow.

Auch geil ist, wie die sechs Plattformen den Hauptfokus des Feuerwerks ueber die ganze Bucht jagen. Hoch und runter, runter und hoch, um dann wieder fuer alle gleich Lichtvollgas zu geben.


Mitten im Feuerwerk verschwindet Jessy um mit nassen Hosenbeinen aus der Richtung der Strandpromenade wieder zurueckzukommen. ?

Warum? Fragt den tollkuehnen Hund selbst - das hab ich nasse Hose Oppus versprochen :-)

Ebenfalls tollkühn ist das Verkehrschaos als nach dem Feuerwerk zwei Millionen Menschen wieder vom Strand wegwollen.

Auch wie die Strassen hinter der Strandpromenade nach Pisse stinken ist bemerkenswert. Teilweise laeuft der Urin schon von der Haeuserwand ueber den Gehweg auf die Strasse...
Zwischen der ganzen Chose seh ich zwei Strassenjungen zusammengekauert auf einem Stueck Karton schlafen. Jeweils um 180 Grad gedreht liegen die beiden nur in Badehose Kopf an Fuss...


Fuer uns gehts weiter. Mit Taxi? Nein, Fehlanzeige da Mangelware.

Klar. Jetzt bestimmen die Taxler die Preise und nehmen nur noch Pauschalen.
Nach
Leblon, dem Viertel in dem die High Society feiert, will uns aber keiner mitnehmen, da der Verkehr dahin wohl schon zum Erliegen gekommen ist.
Also nehmen wir den Bus. Und auch der ist proppevoll.
Der Schaffner knoepft uns auf seinem Podest dennoch ein Paar Reals ab und schiebt uns durch das im vorderen Drittel des Busses angebrachte Drehkreuz nach hinten, zu dem restlichen Passagiervieh.
Der Busfahrer, der wie ein Beserker faehrt, die schlechten Strassen und die Enge geben perfekte Konditionen fuer Taschendiebe.
In weisser Vorraussicht haben wir jediglich Knete dabei, kein Schmuck, keine Papiere, kein Fotoapparat.
Naja, bei der Fahrweise muss sich wohl auch ein Trickdieb mit beiden Haenden festhalten - wir werden nicht beklaut.
Irgendwann verheddert sich ein fremdes Dekoltee in Silvias Oberteil und so sehen die beiden Frauen eine Weile wie siamesische Zwillinge aus, bis Chica sie wieder entheddert.

In Leblon angekommen und nach einem Snack mit Aussicht auf Saeule drei scheint die Party aber schon vorbei zu sein. Wir gehen runter zur Strandpromenade und schlendern langsam noerdlich Richtung Ipanema. Erst an der Promenade, dann an der Brandung am Strand selbst. Hier stecken immer wieder Blumen im Sand, die zu Ehren der Meeresgoettin geopfert wurden, und die sie sich jetzt mit ihrer starken Brandung holt.
Auf dem weitlaeufigen Strand gibt es immer wieder kleine, abgezaeunte Party-Bereiche die allerdings schon ziemlich leer sind. Jediglich ein paar abgefuellte Frauen tanzen noch.

An der Grenze zum Strand von Ipanema ist das anders: hier locken uns House Beats von der Brandung weg. Ebenfalls recht klein, dafuer voll mit schoenen Menschen, die alle tanzen.
Und alle haben neben ihren weissen Klamotten ein rosa Baendchen am Handgelenk, auf das auch noch am Eingang von zwei schwarzen Kloetzen achtgegeben wird.

Macht nix. Wir koennen die Beats von der Promenade aus gut hoeren und die Menge gut sehen.
Musikwechsel. Eine Mischung aus harten Industrial Beats, sich wiederholenden Textzeilen, kleinen Raps und kreischenden Loops. Nennt sich "Funky Brasilian" und kommt direkt aus den Favelas. Hier tanzen die Reichen und Schoenen dazu.
Ein weiterer Musikwechsel bringt die Musik fuer die Rio bekannt ist: Samba. Dazu gibts ne Kokusnuss, dann gehts heim. Natuerlich per Taxi.
Ich lerne, dass hier ab 12.00h nachts keine roten Ampel mehr gelten. So sind wir recht fix zuhause um nach recht wenig Schlaf am Neujahrestag zum Turbosightseeing zu starten.
Bleibt dran!

Mittwoch, Januar 06, 2010

Regen in Rio? Zu Silvester?

[Mury, Rio de Janeiro, 06. Januar 2009]

Rueckblick auf die letzen 07 Tage:
Die Wettervorhersage fuer Sylvester ist alles andere als rosig: 80% Regenwahrscheinlichkeit zum Jahreswechsel and der Copacabana. Was soll das denn?
Wir kommen per Fahrer am 30.12. in der Wohnung von Silvia's Freundin an und: es regnet.
Ich hasse Meterologen. Zumindest wenn sie schlechte Prophezeiungen abgeben.
Hat man die Ueberbringer schlechter Nachrichten frueher in der Antike eigentlich nicht erschossen?
Hmm.. Nee, in der Antike kannte man Schusswaffen noch nicht.
Nun gut, hab keine Schusswaffe dabei, also geht es zeitig ins Bett um ...
... am 31.12. mit Regen aufzuwachen.

Es kann nicht wahr sein. Wir spulen das Alternativprogramm in geschlossenen Raeumen ab. Raus aus der netten aber kleinen Wohnung in Humanita, rein in 2 Taxis und ab in ne Sambaschule. Durch riesige Wasserlachen. Dort angekommen ist die Schule - ach nee, wirklich? - geschlossen. Sylvester. Aha.
Letzte verblieben Alternative: Shopping.
Aua. Also gut, in Pfuetzen tanzen hab ich auch kein Bock also weiter ins Einkaufszentrum.
Durch zwei Favelas durch und am beruehmten Sambadromo vorbei geht es durch ueberspuelte Strassen. Rios Kanalisation gibt wirklich auf. Mitten im Nirgendwo: eine Kreuzung aus Wasser, die selbst dem Taxifahrer nicht geheuer ist: er klettert mit seinem Taxi das einzig noch freie Stueckchen Asphalt hoch: den Bordstein. Auf dem Buergersteig - es ist eh keine Sau auf der Strasse - passieren wir die Kreuzung und naeher uns dem Shopping, auf x-Etagen. Selbst ein Wolkenkratzer in Rios Skyline.
Am Einkaufszentrum angekommen ist dort die Tiefgarage abgesoffen und man versucht hektisch mit allem was man an Sauggeraet, Industrieputzern und Servicepersonal auf Rollerblades(!) der Lage Herr zu werden, und ein Eindringen der Suppe in das Gebaeude zu verhindern.
Ich selbst bin nicht in Kauflaune und trotte so mit. Shoppingcenter sind uebrigens wirklich ueberall gleich langweilig. Nur das hier kein oder nur sehr wenig Englisch gesprochen wird.
Wahnsinnserkenntnis.
Was danach kommt ist schon eher mein Geschmack. Rodizhio im Porcao. Aehnlich zu dem Koitus in Sao Paolo - ihr wisst ja: Essen ist der Sex des Alters - sind wir hier zwar mit etwas schlechterem Service aber dafuer mit fantastischer Aussicht auf den Zuckerhut schon wieder dabei unsere Baeuche mit wirklich feinstem Fleisch zu befuellen.
Mannmannmann, Zum Essen auf die brasilianische Art und Weise gibt es hier zur Freude von Antonia auch einige Flugzeuge im Anflug auf den Stadtflughafen von Rio zu sehen, die direkt neben uns runterzugehen scheinen.
Im Gegensatz zu den Brasilianierinnen neben uns, die sich im Vergleich eine zarte Scheibe von Spiess teilen, hauen wir - natuerlich - voll rein und gefallen damit wohl auch dem Wettergott: es hoert auf zu regnen.

Bei der Wetterlage wagen wir den Versuch, rollen ins Taxi und schnuppern die Luft des wohl bekanntesten Statdstrandes der Welt: der Copacabana.
Beim Aussteigen eine Ansage von Silvia: "ab hier auf eure Sachen aufpassen!".
Also gehen bei uns die Wahrnleuchten an, meine Hand bleibt in der Hosentasche. Auf der Kamera. Und tatsaechlich: 10 Schritte nach dem Ausstieg aus dem Taxi hab ich die erste Hand in meiner Gesaesstasche.
Ich drehe mich um - und schaue in das grinsende Gesicht von Jessy.
Vollidiot.

Vorbei geht es an zahlreichen Schwarzen, die Regenschirme und Plastikcapes anbieten (zur Erinnerung: 80% Regenwahrscheinlichkeit fuer den Jahreswechsel !"$%!) und am ehemaligen Meridian, in dem Silvia 2 Jahre an der Rezeption gearbeitet hat.
Dann stehen wir tatsaechlich an der Copacabana.
Nur mit dem blauen Himmel hapert es noch - im Moment bleiben wir bei regenfreiem aber Grauverhangenem.

Wir, bzw. Silvia organisiert Liegestuehle, laesst Drinks kommen. Wir setzen uns hin und schauen uns die abschliessenden Vorbereitungen fuer die grosse Sylvesterparty an. Nebenan wird bereits kraeftig am Haschisch-Abarbeiten gearbeitet.

Wir sitzen kaum, schon umschwirren uns die Strandverkaeufer wie die Fliegen. Schnell sind wir 2 Cangas - Strandtuecher, ihr Pfeifen! Tangas waehren mir auch lieber... - reicher.

Wir erregen Aufmerksamkeit. Das ist ziemlich deutlich. So bemerke ich interressierte Blicke von einer 5er Gruppe dunkler Jugendlicher. Dass ich sie bemerke, bemerken sie allerdings auch.
Geben wir doch ein treffsicheres Ziel ab mit unserem Kinderwagen (absolut unueblich: die Kinder werden hierngetragen oder laufen nebenher. Gerne auch mit Ball ;-) und unserer Jagdbeute in Markentueten aus dem Shoppingcenter...

Egal. Wir trinken unsere Drinks aus und laufen im Sand den Strand entlang.
Jetzt wird auch Jica, einer echten Carioca und einer langjaehrigen Freundin von Silvia unwohl und wir ziehen den Buggy aus den Sand auf die Strandpromenade zurueck.
Ich lass meine Blicke weiter schweifen. Ueberall werden jetzt kleine Zelte und groessere Pavillions - voll beflaggt und geschmueckt aufgebaut. Ueber dem einem weht eine bemerkenswerte Kombination: eine brasilianische Flagge unter einer jamaikanischen, auf dem anderen Stock: die bayuwarische und drunter die Flagge des FC Bayern.
Die Strandpromenade mit dem weltberuehmten Mosaikmuster und die angrenzende Avenue Atlantica fuellt sich jetzt mit Leuten. Es ist fast 18.00h.
Wir laufen hin zur Haupttribuehne mit den Viedeoleinwaenden, wo das Sylvesterprogramm jetzt tatsaechlich schon losgeht: ein bestimmt 20 koepfiges Orchster gibt klassische Musik zum Besten: den Donauwalzer. Unseren Hochzeitswalzer.
Verrueckt.
Die Menge wird aufgefordert mitzutanzen und ein paar tanzen tatsaechlich Walzer. Toni, Sanela und ich auch.
Schoener Moment, auch wenn ich zugeben muss, dass die
Havaianas nicht unbedingt als Tanzschuhe geeignet sind.
Bei den ersten Klaengen des Bolero geht es dann ins Taxi und zurueck zum Umziehen. Wir werfen uns in Schale - ganz in weiss, so wie es in Brasilien ueblich ist, um den Jahreswechsel unbefleckt am Strand der Copacabana zu feiern.
Sanela bleibt zurueck um auf die Toni aufzupassen.

Seit 13 Jahren der erste Jahreswechsel den wir nicht zusammen verbringen.


Der Taxifahrer - im gelben Taxi - kommt nicht an den Strand ran und so entlaesst er uns ein paar Querstrassen davor in eine Menschenmenge in weiss.

Wir laufen durch die Haueserschluchten, wo sich ein unvergessliches Bild in meine Netzhaut brennt:
In der Bucht liegen neun(!) Kreuzfahrtschiffe, alle mit der Breitseite zur Copacabana, in voller Festbeleuchtung.
Tausende Lichter der Passagierkabinen und des Festschmuckes der Masten schweben auf der schwarzen See.

Der Strand selbst ist gut gefuellt mit Menschen, wir koennen uns aber noch gut bewegen, da wir uns nicht annaehernde in der Naehe der grossen Videoleinwaende befinden.

Ueber uns dicke Wolken. Im Vergleich zum Nachmittag aber bereits nicht mehr so schwarz.
Wenn es wirklich regnen sollte, wird es bei der Anzahl der weissen Traegertops hier einen gigantischen Miss Wet T-Shirt Contest geben...

Wir gehen den 50m breiten Strand weiter runter zur Brandung, mieten uns Liegestuehle und lassen uns Caipis bringen.
Alles ist jetzt doppelt so teuer wie am Nachmittag: die Stuehle und die Caipis - vom Bier hab ich keine belastbare Aussage.
Und dabei sind die Caipis auch noch waessrig...

Was passiert, wenn man einen waessrigen Drink mit einem Weltklassebarkeeper bekommt, muss ich euch allerdings ein andermal erzaehlen.

Lesen sie also in der naechsten Folge: vom Geballer an der Copacana, Favela Schnaps und Funky Brasilian, Zuckerhut und Gedraenge am Corcovado, Turbosight- und nightseeing in Rio, Angriff und Verteidigung unterhalb des Jesus sowie einem traumhaft schoenen Tag am Meer.
Bis bald.
Stay tuned.