Mittwoch, Januar 06, 2010

Regen in Rio? Zu Silvester?

[Mury, Rio de Janeiro, 06. Januar 2009]

Rueckblick auf die letzen 07 Tage:
Die Wettervorhersage fuer Sylvester ist alles andere als rosig: 80% Regenwahrscheinlichkeit zum Jahreswechsel and der Copacabana. Was soll das denn?
Wir kommen per Fahrer am 30.12. in der Wohnung von Silvia's Freundin an und: es regnet.
Ich hasse Meterologen. Zumindest wenn sie schlechte Prophezeiungen abgeben.
Hat man die Ueberbringer schlechter Nachrichten frueher in der Antike eigentlich nicht erschossen?
Hmm.. Nee, in der Antike kannte man Schusswaffen noch nicht.
Nun gut, hab keine Schusswaffe dabei, also geht es zeitig ins Bett um ...
... am 31.12. mit Regen aufzuwachen.

Es kann nicht wahr sein. Wir spulen das Alternativprogramm in geschlossenen Raeumen ab. Raus aus der netten aber kleinen Wohnung in Humanita, rein in 2 Taxis und ab in ne Sambaschule. Durch riesige Wasserlachen. Dort angekommen ist die Schule - ach nee, wirklich? - geschlossen. Sylvester. Aha.
Letzte verblieben Alternative: Shopping.
Aua. Also gut, in Pfuetzen tanzen hab ich auch kein Bock also weiter ins Einkaufszentrum.
Durch zwei Favelas durch und am beruehmten Sambadromo vorbei geht es durch ueberspuelte Strassen. Rios Kanalisation gibt wirklich auf. Mitten im Nirgendwo: eine Kreuzung aus Wasser, die selbst dem Taxifahrer nicht geheuer ist: er klettert mit seinem Taxi das einzig noch freie Stueckchen Asphalt hoch: den Bordstein. Auf dem Buergersteig - es ist eh keine Sau auf der Strasse - passieren wir die Kreuzung und naeher uns dem Shopping, auf x-Etagen. Selbst ein Wolkenkratzer in Rios Skyline.
Am Einkaufszentrum angekommen ist dort die Tiefgarage abgesoffen und man versucht hektisch mit allem was man an Sauggeraet, Industrieputzern und Servicepersonal auf Rollerblades(!) der Lage Herr zu werden, und ein Eindringen der Suppe in das Gebaeude zu verhindern.
Ich selbst bin nicht in Kauflaune und trotte so mit. Shoppingcenter sind uebrigens wirklich ueberall gleich langweilig. Nur das hier kein oder nur sehr wenig Englisch gesprochen wird.
Wahnsinnserkenntnis.
Was danach kommt ist schon eher mein Geschmack. Rodizhio im Porcao. Aehnlich zu dem Koitus in Sao Paolo - ihr wisst ja: Essen ist der Sex des Alters - sind wir hier zwar mit etwas schlechterem Service aber dafuer mit fantastischer Aussicht auf den Zuckerhut schon wieder dabei unsere Baeuche mit wirklich feinstem Fleisch zu befuellen.
Mannmannmann, Zum Essen auf die brasilianische Art und Weise gibt es hier zur Freude von Antonia auch einige Flugzeuge im Anflug auf den Stadtflughafen von Rio zu sehen, die direkt neben uns runterzugehen scheinen.
Im Gegensatz zu den Brasilianierinnen neben uns, die sich im Vergleich eine zarte Scheibe von Spiess teilen, hauen wir - natuerlich - voll rein und gefallen damit wohl auch dem Wettergott: es hoert auf zu regnen.

Bei der Wetterlage wagen wir den Versuch, rollen ins Taxi und schnuppern die Luft des wohl bekanntesten Statdstrandes der Welt: der Copacabana.
Beim Aussteigen eine Ansage von Silvia: "ab hier auf eure Sachen aufpassen!".
Also gehen bei uns die Wahrnleuchten an, meine Hand bleibt in der Hosentasche. Auf der Kamera. Und tatsaechlich: 10 Schritte nach dem Ausstieg aus dem Taxi hab ich die erste Hand in meiner Gesaesstasche.
Ich drehe mich um - und schaue in das grinsende Gesicht von Jessy.
Vollidiot.

Vorbei geht es an zahlreichen Schwarzen, die Regenschirme und Plastikcapes anbieten (zur Erinnerung: 80% Regenwahrscheinlichkeit fuer den Jahreswechsel !"$%!) und am ehemaligen Meridian, in dem Silvia 2 Jahre an der Rezeption gearbeitet hat.
Dann stehen wir tatsaechlich an der Copacabana.
Nur mit dem blauen Himmel hapert es noch - im Moment bleiben wir bei regenfreiem aber Grauverhangenem.

Wir, bzw. Silvia organisiert Liegestuehle, laesst Drinks kommen. Wir setzen uns hin und schauen uns die abschliessenden Vorbereitungen fuer die grosse Sylvesterparty an. Nebenan wird bereits kraeftig am Haschisch-Abarbeiten gearbeitet.

Wir sitzen kaum, schon umschwirren uns die Strandverkaeufer wie die Fliegen. Schnell sind wir 2 Cangas - Strandtuecher, ihr Pfeifen! Tangas waehren mir auch lieber... - reicher.

Wir erregen Aufmerksamkeit. Das ist ziemlich deutlich. So bemerke ich interressierte Blicke von einer 5er Gruppe dunkler Jugendlicher. Dass ich sie bemerke, bemerken sie allerdings auch.
Geben wir doch ein treffsicheres Ziel ab mit unserem Kinderwagen (absolut unueblich: die Kinder werden hierngetragen oder laufen nebenher. Gerne auch mit Ball ;-) und unserer Jagdbeute in Markentueten aus dem Shoppingcenter...

Egal. Wir trinken unsere Drinks aus und laufen im Sand den Strand entlang.
Jetzt wird auch Jica, einer echten Carioca und einer langjaehrigen Freundin von Silvia unwohl und wir ziehen den Buggy aus den Sand auf die Strandpromenade zurueck.
Ich lass meine Blicke weiter schweifen. Ueberall werden jetzt kleine Zelte und groessere Pavillions - voll beflaggt und geschmueckt aufgebaut. Ueber dem einem weht eine bemerkenswerte Kombination: eine brasilianische Flagge unter einer jamaikanischen, auf dem anderen Stock: die bayuwarische und drunter die Flagge des FC Bayern.
Die Strandpromenade mit dem weltberuehmten Mosaikmuster und die angrenzende Avenue Atlantica fuellt sich jetzt mit Leuten. Es ist fast 18.00h.
Wir laufen hin zur Haupttribuehne mit den Viedeoleinwaenden, wo das Sylvesterprogramm jetzt tatsaechlich schon losgeht: ein bestimmt 20 koepfiges Orchster gibt klassische Musik zum Besten: den Donauwalzer. Unseren Hochzeitswalzer.
Verrueckt.
Die Menge wird aufgefordert mitzutanzen und ein paar tanzen tatsaechlich Walzer. Toni, Sanela und ich auch.
Schoener Moment, auch wenn ich zugeben muss, dass die
Havaianas nicht unbedingt als Tanzschuhe geeignet sind.
Bei den ersten Klaengen des Bolero geht es dann ins Taxi und zurueck zum Umziehen. Wir werfen uns in Schale - ganz in weiss, so wie es in Brasilien ueblich ist, um den Jahreswechsel unbefleckt am Strand der Copacabana zu feiern.
Sanela bleibt zurueck um auf die Toni aufzupassen.

Seit 13 Jahren der erste Jahreswechsel den wir nicht zusammen verbringen.


Der Taxifahrer - im gelben Taxi - kommt nicht an den Strand ran und so entlaesst er uns ein paar Querstrassen davor in eine Menschenmenge in weiss.

Wir laufen durch die Haueserschluchten, wo sich ein unvergessliches Bild in meine Netzhaut brennt:
In der Bucht liegen neun(!) Kreuzfahrtschiffe, alle mit der Breitseite zur Copacabana, in voller Festbeleuchtung.
Tausende Lichter der Passagierkabinen und des Festschmuckes der Masten schweben auf der schwarzen See.

Der Strand selbst ist gut gefuellt mit Menschen, wir koennen uns aber noch gut bewegen, da wir uns nicht annaehernde in der Naehe der grossen Videoleinwaende befinden.

Ueber uns dicke Wolken. Im Vergleich zum Nachmittag aber bereits nicht mehr so schwarz.
Wenn es wirklich regnen sollte, wird es bei der Anzahl der weissen Traegertops hier einen gigantischen Miss Wet T-Shirt Contest geben...

Wir gehen den 50m breiten Strand weiter runter zur Brandung, mieten uns Liegestuehle und lassen uns Caipis bringen.
Alles ist jetzt doppelt so teuer wie am Nachmittag: die Stuehle und die Caipis - vom Bier hab ich keine belastbare Aussage.
Und dabei sind die Caipis auch noch waessrig...

Was passiert, wenn man einen waessrigen Drink mit einem Weltklassebarkeeper bekommt, muss ich euch allerdings ein andermal erzaehlen.

Lesen sie also in der naechsten Folge: vom Geballer an der Copacana, Favela Schnaps und Funky Brasilian, Zuckerhut und Gedraenge am Corcovado, Turbosight- und nightseeing in Rio, Angriff und Verteidigung unterhalb des Jesus sowie einem traumhaft schoenen Tag am Meer.
Bis bald.
Stay tuned.