[Rio de Janeiro, 31. Dezember 2009]
Waessrige Caipis? Fuer 10R$? Nicht mit Jessy - und schon garnicht mit der Reiseleitung. Es wird reklamiert und der Liegestuhlverleiher und Getraenkeverkaeufer himself kommt mit Pitu Flasche vorbei um vor unseren Augen einzuschenken.
Ich lass voll mit Pitu aufgiessen. Probiere und bin nicht sicher, ob die Flasche nicht vielleicht mit Wasser gestreckt ist...
Schraeg vor uns bemerke ich geschaeftiges Treiben einer Gruppe Favella-Kids. Mit grossen Taschen. Was machen die da? Plastikbecher, Tablets, Limetten...
... die machen eigene Caipiroschka! Flux ist ein Tablett voll und los gehts zum Verticken in die Menge. Jessy - noch sauer ueber seinen ersten Pansch - haelt ihn an und kauft fuer 1R$(!)
... den naechsten Pansch.
Auch hier wird reklamiert und vor unseren Augen aus der Smirnov-Wodka Flasche aufgegossen.
Hier bin ich mir aber fast sicher das da kein echter Sprit drin ist... Warum sollten die armen Teufel Markenware verhoekern?
Mir ist das Wurscht, nippe an meinem 10 R$ Caipi, lehn mich zurueck und schau mir die Leute an.
Sehr jung ist das hier alles. Viele Kids und auch ein paar Kleinkinder. Muss an meine zwei Lieben denken. Das erste Mal seit 13 Jahren, dass ich ohne Sanela Sylvester verbringe...
Fuer Wehmut ist aber keine Zeit, denn es geht auf die 12.00 zu und nun wird es auch unmittelbar vor uns voll. Ich kann die schwimmende Plattform auf denen das Feuerwerk gezuendet werden soll schon lange nicht mehr sehen, da laufen vier Frauen in Cocktailkleidern an mir vorbei und bleiben an den leeren Stuehlen von Chica und Silvia stehen. Demonstrativ werden da Schuhe ausgezogen und ausgeklopft. Ich wundere mich und mustere die Maedels: Die Erste im roten Kleid ist haesslich wie die Nacht; die grosse Blondine mit ihren langen glatten Haaren kann ich nur kurz im Profil sehen und die rassige Mulattin im weissen Kleid zeigt mir nur ihre langen Beine ...
Was die 4 hier vorhaben?
Als die Blondine sich mir komplett zuwendet und den Mund aufmacht weiss ich Bescheid: die 4 "Damen" sind hier auf Freierschau und bringen ein besonderes "Extra" mit ins Schaeferstuendchen...
Soso. Jessy schmeisst sich weg und auch ich muss grinsen. Die 4 Transen zischen ab.
Dafuer kommen Silvia und Chica wieder zurueck, die sich ein wenig in Richtung Videoleinwand gewagt haben. Auf eben dieser beginnt der Countdown zum Jahreswechsel.
Über unseren Koepfen zischen die Helicopter der TV Anstalten, alle stehen auf um puenktlich bei 0 ein Feuerwerk zu sehen, dass es in sich hat. Aus den sechs, an der ganzen Bucht verteilten schwimmenden Plattformen fackeln die Feuerwerker 12 min ein unglaubliches Ding ab. (Guggst du youtube I, II)
Zwar werden hier nicht so perfekt abgestimmte und fein detaillierte Lichtbilder in wie zum Beispiel im Walt Disney Escot Vergnuegungspark in Orlando in den Himmel gemalt, nein, hier ist es die schiere Masse an Feuerwerkskoerpern.
Der ganze Himmel ist voll. Ueberall explodieren Raketen, Streulichter, goldener Regen am grauen Himmel von Rio.
Teilweise ist der Himmel so hell, dass die Farben zurueckkommen. Das T-Shirt meines Vordermannes ist einwandfrei rot. Wow.
Auch geil ist, wie die sechs Plattformen den Hauptfokus des Feuerwerks ueber die ganze Bucht jagen. Hoch und runter, runter und hoch, um dann wieder fuer alle gleich Lichtvollgas zu geben.
Mitten im Feuerwerk verschwindet Jessy um mit nassen Hosenbeinen aus der Richtung der Strandpromenade wieder zurueckzukommen. ?
Warum? Fragt den tollkuehnen Hund selbst - das hab ich nasse Hose Oppus versprochen :-)
Ebenfalls tollkühn ist das Verkehrschaos als nach dem Feuerwerk zwei Millionen Menschen wieder vom Strand wegwollen.
Auch wie die Strassen hinter der Strandpromenade nach Pisse stinken ist bemerkenswert. Teilweise laeuft der Urin schon von der Haeuserwand ueber den Gehweg auf die Strasse...
Zwischen der ganzen Chose seh ich zwei Strassenjungen zusammengekauert auf einem Stueck Karton schlafen. Jeweils um 180 Grad gedreht liegen die beiden nur in Badehose Kopf an Fuss...
Fuer uns gehts weiter. Mit Taxi? Nein, Fehlanzeige da Mangelware.
Klar. Jetzt bestimmen die Taxler die Preise und nehmen nur noch Pauschalen.
Nach Leblon, dem Viertel in dem die High Society feiert, will uns aber keiner mitnehmen, da der Verkehr dahin wohl schon zum Erliegen gekommen ist.
Also nehmen wir den Bus. Und auch der ist proppevoll.
Der Schaffner knoepft uns auf seinem Podest dennoch ein Paar Reals ab und schiebt uns durch das im vorderen Drittel des Busses angebrachte Drehkreuz nach hinten, zu dem restlichen Passagiervieh. Der Busfahrer, der wie ein Beserker faehrt, die schlechten Strassen und die Enge geben perfekte Konditionen fuer Taschendiebe.
In weisser Vorraussicht haben wir jediglich Knete dabei, kein Schmuck, keine Papiere, kein Fotoapparat. Naja, bei der Fahrweise muss sich wohl auch ein Trickdieb mit beiden Haenden festhalten - wir werden nicht beklaut.
Irgendwann verheddert sich ein fremdes Dekoltee in Silvias Oberteil und so sehen die beiden Frauen eine Weile wie siamesische Zwillinge aus, bis Chica sie wieder entheddert.
In Leblon angekommen und nach einem Snack mit Aussicht auf Saeule drei scheint die Party aber schon vorbei zu sein. Wir gehen runter zur Strandpromenade und schlendern langsam noerdlich Richtung Ipanema. Erst an der Promenade, dann an der Brandung am Strand selbst. Hier stecken immer wieder Blumen im Sand, die zu Ehren der Meeresgoettin geopfert wurden, und die sie sich jetzt mit ihrer starken Brandung holt.
Auf dem weitlaeufigen Strand gibt es immer wieder kleine, abgezaeunte Party-Bereiche die allerdings schon ziemlich leer sind. Jediglich ein paar abgefuellte Frauen tanzen noch.
An der Grenze zum Strand von Ipanema ist das anders: hier locken uns House Beats von der Brandung weg. Ebenfalls recht klein, dafuer voll mit schoenen Menschen, die alle tanzen.
Und alle haben neben ihren weissen Klamotten ein rosa Baendchen am Handgelenk, auf das auch noch am Eingang von zwei schwarzen Kloetzen achtgegeben wird.
Macht nix. Wir koennen die Beats von der Promenade aus gut hoeren und die Menge gut sehen. Musikwechsel. Eine Mischung aus harten Industrial Beats, sich wiederholenden Textzeilen, kleinen Raps und kreischenden Loops. Nennt sich "Funky Brasilian" und kommt direkt aus den Favelas. Hier tanzen die Reichen und Schoenen dazu.
Ein weiterer Musikwechsel bringt die Musik fuer die Rio bekannt ist: Samba. Dazu gibts ne Kokusnuss, dann gehts heim. Natuerlich per Taxi.
Ich lerne, dass hier ab 12.00h nachts keine roten Ampel mehr gelten. So sind wir recht fix zuhause um nach recht wenig Schlaf am Neujahrestag zum Turbosightseeing zu starten.
Bleibt dran!