Donnerstag, April 18, 2013

Vom Stadtverkehr zum Strandvergnügen

[Agonda Beach, 16. April 2013]

Ha! Jetzt geht es Schlag auf Schlag mit dem Postings. Hab hier in meiner Hütte am Strand von Goa nicht nur Zeit, nein, sogar auch verlässlich Internet(!), so dass wir direkt wieder abfahren können.

Nach Nasik, bzw. von Nasik nach Pune mit dem Bus. Die Überland-Bushaltestelle dazu sieht so aus -->:
Im Semi Sleeper Volvo AC Bus (zu den verschiedenen Bustypen werd ich mich noch auslassen!) geht es nach Süden nach Pune. Ich hab super platz und anscheinend auch den Mango Lassi gut vertragen. Perfekt.
Ich vertreib mir die Zeit mit Lektüre. "Das Gehirn eines Buddha" - aus meiner Sicht ein Must Read! Neben ganz konkreten Hinweisen und Anleitungen zu mehr Glück im Alltag, beleuchtet es sehr anschaulich, was eigentlich in unserem Gehirn die ganze Zeit abgeht. Ein Superbuch - auch für nicht Meditationsmuckel!
Die sechs Stunden vergehen wie im Flug und schon find ich mich in Pune wieder.

In der Stadt von Techmahindra, einem der zentralen Outsourcingpartner der o2. Ich fühl mich an die Zeiten zurückerinnert wo wir in endlosen Calls aus München heraus versucht haben, Qualität in Softwarelieferungen zu bekommen. Calls, die bis in die Nacht gingen, Calls wo namentlich angesprochene Teilnehmer auf einmal nicht mehr da waren, da sie zwischendrin einfach so Mittag gemacht haben und Calls, die wegen Unruhen, Feiertagen oder getrennten Unterwasserkabeln gar nicht erst zustande gekommen sind...

Der Bus spuckt mich direkt in eine Meute braun gekleideter Rikschafahrer, die sich im Pulk um den nach ordentlich Gewinn aussehenden langen Lulatsch kümmern.
"Come, come!", "Where u wanna go?", "Come, come!". Ein Pulk recht unangenehmer, irgendwie gleich aussehender kleiner Männer mit flaumigen Ziegenbärten umkreist mich enger und enger. Jetzt werd ich also wieder abgezogen denk ich mir als ich von hinten angesprochen werde: "Do you want to share a Taxi?"
Eine attraktive, kecke Inderin spricht mich an! Klar will ich!
Jetzt werden die Taxerl zickig und die junge, stolze Frau muss sich einiges anhören. Ich versteh zwar kein Hindi, aber Gesten, Körpersprache und Lautstärke kann ich dennoch interpretieren. Mein lieber Mann, es wird ganz schön hitzig. So hitzig, dass sich irgendwann ein Taxifahrer zwischen die junge Frau und den Taxerl, der mich als erstes angesprochen hat, stellen muss. Dann schnappt mich Vinutha - so heisst die in Person gewordene Rettung vor dem hellichten Westler-Taxiabzug - und zieht mich raus aus dem Pulk. 

Und schwupps sitzen wir und unsere beiden Gepäckstücke in einer Autoriksha Richtung irgendwohin und kommen ins Quatschen. Vinutha ist Yogalehrerin, Mutter zweier Kinder und eine selbstbewusste, stolze Vertreterin des neuen Indiens. So empfinde ich das. Ihr Mann ist Gruppenleiter bei einer IT Firma und arbeitet mit der deutschen Bank zusammen. Und ich bin... baff!
Ruckzuck sitz ich vor dem Park Estique Hotel in Pune - und das auch noch ohne das Taxi bezahlen zu können. Ich bin selbstverständlich eingeladen! Keine Diskussion.   

Das Hotelschnäppchen entpuppt sich als stylisches Luxushotel mit Rooftop Bar, Gym und Badezimmer mit freier Sicht auf die Skyline von Pune. Wow!
Ich mach mich auf, die Strasse runter den Agha Khan Palace zu besuchen. Jetzt das Mahatma Gandhi Museum, da Gandhi hier in den 1940ern von den Briten zwei Jahre unter Hausarrest gestellt wurde.

Nach dem irren Verkehr der 6-8 spurig an dem Palast vorbeirauscht, eine Idylle der Ruhe.
Das Museum ist ein Witz - genau wie der Eintrittspreis: 5 Rp - für Inder. Alle anderen zahlen 100Rp! So geht es recht schnell wieder raus und am Verkehr entlang zurück Richtung Hotel... nicht ohne noch ein paar Eindrücke vom Wegesrand mitzunehmen:



Die meinem Hotel gegenüberliegende Shopping Mall, empfängt mich dann so:

Wahnsinn. Die sterile Bilderbuchmall ist genau so, wie überall auf der Welt auch. Alle westlichen Marken, Subway, MacDonalds, ein integrierter Supermarkt wie in München um die Ecke. Oben ein Videoautomatenspiel, eine Bowlingbahn, Billard und: eine auf -4 Grad temperierte Eislaufbahn und x.000qm Snowboardpark(!)

Incredible India!

Osho


Am nächsten Morgen Stippvisite bei Osho - ich will mir seinen Ashram anschauen.
Die Europäerin(!) am Counter eines kühlen, mit Metalldetektoren ausgestattetem Eingangsbereich mustert mich und schickt mich salopp weiter. Da hinten kann ich die obligatorische rote Robe und für die Abendveranstaltung die weisse Robe kaufen. Hier wird die Eintrittsgebühr fällig und da vorne soll ich einen Aidstest machen...
Moment mal: ich wollte mir den Ashram des Mannes anschauen, dessen Bücher ich gelesen habe. A N S C H A U E N. Ich wollte nicht gleich Jünger werden!
Und wild rumvögeln auch nicht.
Und Foto machen is auch nicht.
Dann ist meine Zeit im Hoschie Ashram eben recht begrenzt und ich verpfeif mich... Pfff!


Sadhu Vaswani


Trip Advisor Bewertungen empfehlen einen Besuch, #2 Must See in Pune. Hier empfängt mich ein mässig interessantes aber aufwendig gestaltetes "Museum" dass gepflegten Personenkult des 1966 gestorbenen Gelehrten und "Heiligen" darstellt.
Die Museumsgestalter tragen mächtig auf: Schauspieler stellen schmerzhaft theatralisch Szenen nach. Hologramme geben Fragen und Antworten, Innenarchitekten stellen wichtige Räume aus...

Hängen bleiben bei mir nur drei Sachen: Sadhu bedient sich an Standardreligionen (zitiert Jesus), findet dass Goethe ein Brahmane ist und empfiehlt Ehefrauen bei Ehestreits einen grossen Schluck aus der stets mitzuführenden Wasserflasche zu nehmen :-)) "Du wirst sehen, alles geht vorbei" ;-)

Ich schau mir den Peshwe Energy Park an (der geschlossen hat) und lauf durch die Innenstadt Richtung Hotel. Auf einem zurückgezogenen Grünstreifen seh ich einen Haufen junger Päarchen, schön in Zweiergruppen versetzt auf den, das Grün umschliessende Bänkchen.
Süß, sieht ein indischer Anbandelpark. ;-)


Die Innenstadt ist kurz vor dem Verkehrsinfarkt, relativ kleine Strassen, links und rechts kaum dreigeschössige Häuser. Manche mit Holzfassade.  Manche mit, manche ohne Fenster. Säuberlich aufgereiht davor stehen die Motodrinos, die Vespas, die Mopeds. Die Stadt pulsiert (und hupt) so vor sich hin. Ich krieg schnell zu viel von der ganzen Hektik - und vor allem von der Luft. Hab das Gefühl nur Abgas in der heissen Nachmittagssonne zu atmen. Puh. Pune. 

Es ist also Zeit für Strand. Einsamen Strand. Palmen. Kokosnüsse. Lassis.
Das heisst in Indien: Goa

Im Hotelzimmer steck ich den möglichen einstündigen Flug für 180€ zugunsten dem 9 mal günstigereren und 13 mal längeren Sleeper Bus zurück. Den Bus - oder wie ihn Traveller im Internet beschreiben - der Hühnerkäfig auf Rädern gibts für ungefähr 20€.
Einen weissen, Münchner Wal im Hühnerkäfig. Das wird lustig werden.


Am nächsten Morgen Auschecken an der stylischen Rezeption (im Hintergrund dudelt - äh - tatsächlich Shantel!). Dann holt mich Vinutha und ihr Mann Nadhindra ab. 
Als ich ins Auto steige ist das schon voll. Mit anderen Ausländern!
Kate eine Krankenschwester aus UK und Fernando ein Diplomat aus Venezuela - alles Bekannte von Vinutha aus dem Yogalehrerkurs, den sie in Nasik belegt hat.
Fernando begrüßt mich mit "Alles klar?" - na, da fühlt man sich doch gleich willkommen :-)

Es gibt eine Stadtrundfahrt. Wir besichtigen das Fort, das Stadtmuseum (zu), und den Ganeshtempel. Es ist immer wieder erstaunlich, wie sich das Stadtbild verändert, sobald Du mit Locals unterwegs bist. Der Hammer.
Auch und im besonderen der Ganeshtempel. Hatte ich mich gestern noch wg. geröteten Augen, gereizten Atem- und überreitzten Verkehrswegen davor gedrückt, um schnell ins Hotel zurück zukommen, lass ich mich jetzt in den Tempel schieben. Es sind lange Schlangen, den es ist hinduistisches Neujahr.
Bild von Wikipedia
Der Securitycheck lässt Fernando's im Rucksack verstaute, frischgekaufte Schuhe auffliegen - die dürfen nicht rein. Schuhe sind Schuhe und die sind verboten!
Im Tempel ist eine recht ungemütliche Prozession von Gläubigen - inkl. uns - die sich an einer aufwendig geschmückten Ganesh Statue vorbeischieben. Der Tempel ist silberbeschlagen, die Figur mit blankem Gold besetzt; davor diamantene Blumen (von DEM Amitabh Bachchan gespendet wie man mir erklärt), es glitzert und blitzt. Irre: die Kostbarkeiten sind alle echt. Der blanke Wahnsinn.

Zwischen den Sehenswürdigkeiten werd ich überredet noch einen Tag zu bleiben. Ich könne problemlos bei ihnen übernachten, meint Vinutha. Die Gesellschaft ist prima, die Stimmung auch. Ich pfeif auf Nachtbus und Folgehotel, ich fühl mich sauwohl!
Und so geht es ausgelassen in ein Restaurant zum Abendessen. Vier Menüs zur Auswahl: 1 Veg-Menü, 1 Nonveg-Menü (also mit Fleisch), All-in mit unlimited Bier und All-in mit unlimited Alkohol (also Scotch, Whiskey, Vodka). 
Wir schlemmen; Fernando erzählt viel aus seinem sehr interessanten Diplomatenleben (u.a. London, Syrien, Washington, Japan, Guyana, Wien. Der Satz: in der Welt zu Hause trifft auf ihn wirklich zu); ich lass mir das Rechte-Hand-Essen kognitiv, koordinativ erklären und weiss auch was ich mit dem Limettenwasser zum Schluss mache. Perfekt.

Dann gehts nach Hause, wo uns die Grosseltern und die beiden Kinder empfangen.
Jetzt werden sieben Erwachsene und zwei Kinder auf zwei Betten aufgeteilt.
Wie selbstverständlich schlafen sowohl die Grosseltern, wie auch die Gastgeber auf dem Boden, damit die Ausländer und die Kinder auf Sofa und Bett verteilt werden können.
Wahnsinn. Mit soviel Gastfreundschaft kann Europa nicht dienen!!

Am nächsten Tag geht es auf den Markt. Ich komm aus dem Knipsen gar nicht mehr raus. Ein paar Eindrücke gibts hier:

Kurztest: wer entdeckt den schlafenden Verkäufer? Auf welchem Bild ;-)?

Ich staune über die Vielzahl der Waren, die Gerüche, die Farben... 
Grossartig. 

Ich kaufe Toni ein indisches Kostüm, ein indisches Dirndl sozusagen. Vinu stellt sicher, dass ich auch die richtigen Ketten, Armschmuck und Bindis dazu bekomme. Ich kann es kaum erwarten, Toni darin zu sehen. Ich hoffe nur, das das Kostüm die verbleibende Zeit und die verbleibenden Länder sicher übersteht...

Am Abend ist Abschied nehmen angesagt. Und obwohl es nur ein bisschen mehr als 24h waren, die wir zusammen verbracht haben, fällt der Abschied schwer. So liebenswürdige, gastfreundliche, warmherzige Menschen machen den Abschied wirklich nicht leicht.

Als er dann gegen 23:00 naht - ihr erinnert Euch: ich will in nem Sleeper Bus nach Goa runter - wird nochmal die ganze Familie inkl. Kinder zusammengepackt um mich an den Busbahnhof zu bringen. Ich denke hier soll sichergestellt werden, dass "the tall guy", wie sie mich nennen, auch im richtigen Bus sitzt, bzw. liegt und in Goa aufwacht und nicht in der Wüste Gobi ;-)

Es gelingt. Ich beziehe meine vorrausschauend gebuchten zwei(!) Liegeplätze. Ich kann mich zwar immer noch nicht ausstrecken, nicht mal schräg, aber wenn ich noch nen weiteren Fahrgast neben mir hätte wäre an Schlafen überhaupt nicht zu denken... Seht selbst -->:
Jetzt kann die Fahrt Richtung Süden, Richtung Goa, Richtung Paradiesstrand beginnen.

Ankommen tu ich in Panajim, der Hauptstadt von Goa. Einem für Pune Verhältnisse verschlafenem Nest mit relaxten Taxifahrern an der Busstation, die einem unaufgefordert Informationen zu den Sehenswürdigkeiten geben, an denen man vorbeikommt. Grün, entspannt, recht sauber, mit pittoresken, zweigeschossigen, bunten Fassadenbauten. Sehr mediterran. Man sieht, dass sich hier die Portugiesen ausgetobt haben.

Das Hotel fuer die Nacht ist weit ab vom Schuss. Zum (ausgestreckten) Schlafen taugt es aber tadellos! Um mir die 300Rp (4€ ungrad) für ein erneutes Taxi in die Stadt zu sparen, probier ich ein weiteres Gefährt aus: Den öffentlichen Bus.
Coole Karren sind das, ohne Fenster, enge Sitzbänke, bunt geschmückt, jeder mit anderen Farben, Innenleben und (natürlich) Personal. Auch die Hupe klingt bei allen anders - logisch. Der eine Bus hat eine hinduistische Gottheit als Talismann in der Scheibe kleben, der nächste eine Mariafigur auf dem Armaturenbrett. Nett.
Das Ganze läuft dann so: Du winkst einen vorbeifahrenden Bus zu, der wird langsamer, so dass Du bei langsamer Fahrt zusteigen, besser zuspringen kannst. Dann quetscht Du Dich auf eine Sitzbank und wartest, bis Dir der Schaffner den Wegzoll abknöpft. 20Rp (0,30€) - und das für den gleichen Weg, wie vorher mit dem Taxi. Wow.


Busfahren macht so Spass, dass ich mir gleich noch nen anderen Bus schnappe, der mich nach Old Goa bringt. Eine der ehemals reichsten Städte der Welt. Der von den Portugiesen als Umschlagplatz genutzte Hafen im späten 15. Jahrhundert wurde auch das Rom des Orients genannt und bietet prächtige Kirchen - sowie Busse voll Pilger - zur Ansicht. Heute Weltkulturerbe.
Für kunsthistorisch Interessierte sehr bedeutend. Für mich recht nett. Denn: ich fahr lieber Bus ;-) und zwar zurück nach Panajim, wo ich durch die Altstadt strolche, mir noch ne Kirche reinziehe und dann - richtig, ihr wisst's schon - wieder Bus fahre. Und zwar ins Hotel.

So, Kirchen hat ich jetzt genug, denk ich mir und setz mich am nächsten morgen in einen - genau - öffentlichen Bus, der mich nach Margao in den Süden bringt. Dort grille ich erstmal ne Dreiviertelstunde am örtlichen Busbahnhof, bevor ich mir ein Taxi nehme um nach Agonda Beach vorzustossen.

Das Taxi lohnt sich, denn Bus fährt hier keiner hin, wie auch. Das Dörfchen besteht vielleicht gerade mal aus 40 Bebauungsteilen. Nichtmal ein Strassenschild gibt's (aber ne Kirche).
Hier find ich mein Hüttchen. Direkt am menschenleeren, weitläufigen Strand. Unter Kokospalmen. Vielleicht drei Kilometer lang. Paradiesisch. 


Sogar mein Scheisshaus ist weitläufig - nach oben hin. Freiluftdusche und Toilette. Nur Palmenwedel trennen mich beim Kacken (Pardon! Gehobenere Umschreibungen gibt es hier ;-) vom Sternenhimmel...
Matratze statt Bett. Deckenventi statt AC. Vorhängeschloss statt Steckkarte. Der Brandungswind bläst durch die Ritzen der Bretterbude. Kaltes Wasser. Einfach aber einfach paradiesisch. 
Ein Traum.

Pause.

Schwimmen, Essen, Schlafen, Ka**en ;-). 

Zur Ruhe kommen. 

Ich freunde mich mit den Strassenkötern und den Locals an. Meditier am Strand. Geh mit nem Fischerboot raus und seh Delfine. Lass mich stundenlang in der Brandung treiben und schau in die Sonne oder in den Mond, der hier schon früh am Nachmittag aufgeht. Ich denk viel nach. Ich les ein Buch - und ich schreib nen Blog.

Schöne Grüße aus Agonda Beach.