Dienstag, März 23, 2010

Von heissen Quellen, hoehen Türmen und netten Unterschieden

[Irgendwo in Ilan County, 22. Maerz 2010]

Eins vorneweg: Torpedo hat mich keiner getroffen, obwohl wir das Vulkanwasser gut bebadet haben.

Jeder hat hier so seinen eigenen Weg mit dem Jetlag fertig zu werden. Meine Frauen wählen den Weg des intensiven Schlafens, solange bis der Koerper einfach keinen Bock mehr hat zu schlafen.
Ich beginne den ersten Tag mit Training im hoteleignen Gym. Die Geraete sind mir zwar alle zu klein, aber es gibt Freihanteln und ein Laufband mit englischer Menufuehrung und HBO auf dem Display.

So kommts, das Robert Redford zur letzten Festung blaest und ich mir – angestachelt vom Film – mehrere Kilometer zu viel genehmige und mir damit astreine Blasen lauf.
Ich Rindvieh. Wollen wir doch morgen Taipeh erkunden.

Mal schauen was die Hotsprings direkt innerhalb des Hotelkomplexes an heilender Wirkung auf meine Fuesse anzubieten haben. Die verpflichtend zu tragenden Pantoffeln sind schonmal eher kontraproduktiv, da mind. 4 Nummern zu klein. Die Haarhaube aus Plastik sorgt fuer subtropischen Klima am Haaransatz und der natuerlich viel zu kleine Bademantel fuer weitere Befremdlichkeit – sieht er an mir doch eher aus wie ein sexy Homo Neglige.

Das Quellwasser ist vor allem heiss. Und angenehm. Wir blicken in 40Grad warmen Wasser die Berge von Beitou runter in den Dunst von Taipeh und schauen dem heissen Dampf zu wie er nach oben steigt. Toni ist mit ihrer Giesskanne auf Mission und versucht einen Hektoliter grosses Basin in ein anderes umzugiessen. Energie hat die Kleine…

Abends erste Gehversuche mit typisch chinesischem Essen. Die schiere Anzahl der Teller und auch der Service ist ein wenig befremdlich. Auf welchem Teller ess ich jetzt? Welchen nimmt er mir jetzt weg? Was mach ich falsch, dass mir der Kellner das Besteck auf die Tischdecke knallt (Ich ess doch schon mit Staebchen…). Warum bringt er mir ein neues Bier und nimmt das alte nicht weg? Das Essen selbst ist nicht schlecht, obwohl der nur als Beilage bestellte Fried Rice am besten gefallen findet. Nicht nur bei Toni.

Am naechsten Morgen geht es mit der MRT in die Innenstadt. Die MRT funktioniert weit besser als die Muenchner U-Bahn. Besser getaktet, neuere Zuege, Hinweisschilder und Leitlinien auf dem Boden sorgen fuer einfaches Umsteigen.
Die Leute sind viel disziplinierter und halten sich strikt an die auf dem Boden gezeichneten Geh-und Stehflaechen. So gibt es auf jeder Plattform eigens bemalte Wartelinien auf denen sich die wartenden Leute aufreihen. Die ebenfalls markierten Haltestellen der Türen bleiben so frei.
Irre ist, dass das tatsaechlich funktioniert. Die Bahn stoppt exakt da, wo sie soll, die Leute stroemen raus ohne behindert zu werden, und die aufgereihten Wartenden stroemen rein. Tuer zu. Schotten dicht. Und weiter. Damit niemand in den Tueren der Bahn eingeklemmt und vielleicht mitgeschleift wird, sind manche Bahnsteigen mit eigenen Aussparungen und automatischen Tueren die mit den Tueren der Bahn korrespondieren, eingefasst. Bevor sich die Tueren der U-Bahn oeffnen und schliessen wird mit diesen Tueren vorgeschlossen und geoeffnet.

Ich bin beeindruckt. Muss bei den Massen wohl auch so organisiert sein. Obwohl wir an einem Sonntag fahren, sind die Bahnsteige ganz schoen voll. Unbeeindruckt bin ich von den Haltegriffen in der Bahn – die sind naemlich bei mir auf Brusthoehe montiert. D.h. ich komm hier sogar wenn ich sitze ran. Wenn ich aufstehe, schlackern mir die Griffe an den Schultern rum…

Ankunft Taipeh 101, das bis vor kurzem hoechsten Gebauede der Welt.

Ein Wahnsinnsbau aus gruenem Glas und Stahl. Einem Bambusrohr nachempfunden und das nicht ohne Grund. Muss das Ding doch 4 Taifune pro Saison aushalten und steht in einer der erdbebenaktivsten Regionen der Erde. Im 88 Stock daher eine massive Stahlkugel die bei Bedarf hydraulisch gesteuert die Schwingungen austariert. Wow.

Im Basement reiht sich ein – absolut austauschbares – Edelarrangement aus Markenshops auf fuenf Etagen aneinander. Auf den Luxus schaut durch die Glaskuppel das phaenomenale Gruen des Turms herab.

Rauf geht’s mit dem nach wie vor schnellsten Fahrstuhl der Welt. Mit 1000m pro Sekunde ist man in 37 Sekunden oben. In den Ohren ploppt es wie die Prosecco Korken der Münchner Schickeria.

Oben angekommen bietet sich ein Bild in weiss. Man sieht das man nichts sieht.

Hat man uns unten an der Kasse schon gesagt – und sich gleich fuers schlechte Wetter mitentschuldigt. Es liegt ein Sandsturm aus China ueber der Stadt.

Nun gut. Sieht man draussen vor lauter Diesigkeit nichts, sieht man drinnen mehr. Zum Beispiel die heimische Mode. Total in ist hier z.B. ein winziger Rock der am Oberschenkel endet in Kombination mit langen, schwarzen Struempfen die ueber dem Knie enden und gerne mit hohen Stiefeln getragen werden. Diese Schulmaedchenfantasie scheint zeitlos zu gelten da sie auch von aelteren Frauen getragen wird. Da reicht der Rock dann allerdings kurz vors Knie. Wuuu.

Da konzentriere ich mich lieber auf Toni, die – das kennen wir ja schon aus Brasilien – den Part Sehenswuerdigkeit gelassen verpennt.

Auf der Plattform draussen und an den hohen Zaeunen gelehnt erinner ich mich an was ich im Netz gelesen habe: 2007 ist hier ein Oesterreicher als erstes illegal mit einem Falschschirm runtergesprungen. Jetzt verstehe ich auch, warum ich mit dem grossen roten Rucksack von Jessy und Silvia auf dem Ruecken hier mit Argusaugen beobachtet und zweimal kontrolliert werde.

Keine Angst. Kein Fallschirm im Rucksack. Nur Windeln und Glaeschen fuer die Toni. Und runter geht es damit sowieso auf dem normalen Weg – was nicht unbedingt fuer die ein oder andere Windel von der Toni gilt...

Unten machen wir einen Abstecher zum Sun Yat Sen Memorial Center, das in Laufweite steht. Ein Riesengebaeude, aehnlich einem grossen Tempel gebaut, sieht man hier interessante Kontraste unmittelbar nebeneinander.

Innendrin sitzt eine monumentale Statue in Regentposition des Staaatsgruenders der Republik China. Davor zwei scheinbar in Stein gegossene Wachen die sich nichtmal fuer eine hingeworfene Muenze bewegen. Nur zur Wachabloesung fuehren sie eine Choreographie mit ihren Knarren auf, das schon mehr mit dem Schwingen eines Spielmannszugs-Stocks zu tun hat als mit einem repraesentativen Wachwechsel. Detlef „D“ Soost waer bestimmt schwer inspiriert.

Das Ganze ist begleitet von einem Blitzlichtgewitter vom Stile eines Robbie Williams Auftritt. Nur gekreischt wird nicht.

Direkt vor dem Haupteingang uebt draussen eine Gruppe in gelben Warnwesten Tai Chi – unmittelbar dahinter Breakdancer ihre Pirouetten. Wenn „D“ drinnen inspiriert ist, ist er hier draussen begeistert.

Ich bin fasziniert von diesem Kontrast und Toni von dem Beat, der an dieser Gedenkstaette von den Boomboxes der mehreren Dutzend(!) Breakdancern kommt, zeigt sie doch selbst ein paar von ihren Moves...

Auf dem weiten Vorplatz vor der Halle zeigt sich deutlich dass wir hier die Exoten – und Toni eindeutig der Koenig unter der Exoten - sind. Antonia Heidi Kaufmann macht ihrem zweiten Vornamen alle Ehre und wird zum Fotomodell. Selbst springt sie eigentlich nur zwischen den Fuessen der Leute rum, auf der Suche nach ihrem Ball. Die Leute aber bleiben stehen. Zuecken die Kameras und schiessen die Toni ab. Wuerden wir fuer jedes Bild einen Euro bekommen, waer der Rueckflug bald bezahlt. Krass. Antonia HEIDI ist es wurscht. „Ball“ ist das einzige, was sie dazu sagt.

Wir schauen uns als naechstes rundum Taipeh Main Station um. Elend lange Gaenge voll mit allerhand winzigen Laeden, dazwischen eine fast 1.90m grosse Untergrundmusikantin, mobile Nackenmasseure in orangenen Warnwesten, Bluetenverkaeufer im Rollstuhl – und wir. Ich kann ueber alle Koepfe ewig weit in die Gaenge reinschauen. Weit und breit kein Fressstand bis wir irgendwie in den Food Court im zweiten Stock finden. Hier gibt’s – wirklich interessant anzuschauen – das gesamte angebotene Menu in Bilderform an der Kasse ausgeschildert. Das Auge ist ja mit – und so landen wir beim Baecker.
Kaufen Rosinenbroetchen und gerollte Sandwiches statt Haehnchenfuss und Tintenfisch mit Spiegelei.

Abends dippen wir die Fuesse in unserem Hotspa und planen die naechste Station der Reise. Das Personal ist total nett und hilfsbereit. Schreibt mir wildes Zeug in chinesischen Lettern auf. Telefoniert mit dem als naechsten geplanten Hotel an der Ostkueste. Im Hintergrund rattert der alte Matrixdrucker mir taiwanesische Karten mit chinesischen Zeichen raus. Sieht so aus als wird man hier mehr gefahren (per Bus oder Bahn) – selber reisen wir wie es tun scheint weniger ueblich.

Ich bedanke mich und druecke die Daumen, dass der gestern gebuchte Mietwagen auch wirklich wie versprochen ein englisches Navigationssystem hat.

Am naechsten Morgen stehen die Zeichen auf weiterreisen: Aufstehen, packen, fruehstuecken und los geht’s. Der Mietwagen hat ein englisches Navigationssystem - nur tut sich eben dieses schwer mit den englischen Namen der Strassen. Laut Reisefuehrer ist die englische Bezeichnung der Strassen und Plaetze keineswegs durchgehend, geschweige denn binden. Dass merk ich gleich bei der Eingabe des ersten Ziels: das National Palace Museum in der Zhiashian Road 211, Section 2.

Haus und Herberge der Schaetze aus der verbotenen Stadt, hier gibt es bis zu 8000(!) Jahre alter Relikte aus der chinesischen Kultur.

Das aber ist dem Navi scheissegal. Erkennt es doch auf Teufel komm raus keine der Strassen Zhiasan, chiashian, zhiasan, o.ä. bis wir schliesslich Aufbrechen Richtung Zhiashian STREET weil nichts anderes bekannt – und prompt in einem Industriehof ankommen.

Uuups.

Immerhin scheint Zhiashian irgendwie eine Art Stadtviertel zu sein, denn ab hier ist das Navigationssystem 0.9 (per Hand und Fuss kommunizieren, sowie auf Schriftzeichen tippen) im Einsatz und das garnicht so ineffektiv. Nach einem erstaunlich kurzem, ungewollten Abstechern zur Universitaet stehen wir schliesslich vor dem Ort, der Laut Canna eines der Must Sees in Taipeh ist.

Wow. Also auf zum Geschichte Atmen. Rein in das Riesending.
Wow. In dem Riesending sind ne Menge Leute.

Und ne Menge Vasen.

Hmm.

Das „K“ in Kaufmann muss wohl wirklich fuer Kulturbanause stehen. Fang ich doch schon mit dem Geschirr im Untergeschoss vom Ikea nichts an - und muss leider auch bei den unzaehligen, winzigen Vasen in einer Vielzahl von angeblich massgeblich unterschiedlichen Designs passen. Am Ende haben sie alle oben ein Loch, in der Mitte einen geschwungenen Bauch und am Ende einen Boden.

Dazu kommt, dass es um mich rum wuselt wie in einem Ameisenstock. Vorneweg laeuft einer mit einer Fahne, danach kommen *Massen* hinterher, die nur so um uns rumspuelen.
Alle mit nem Kopfhoerer auf – und keineswegs ruecksichtnehmend.
Chinesen. Weiterweiterweiter der Fahne hinterher.

Toni wird’s noch vor mir zu viel – klar, ist die doch in ihrem Buggy unmittelbar drin anstatt nur dabei. Ich weiss nicht ob es an dem Gedraenge und/oder an den Leuten liegt, aber ich meine die Taiwanesen in der vollen U-Bahn gestern waren deutlich entspannter, haben mehr gelaechelt und waren hoeflicher…

Als ich meinen Audioguide zurueckgebe und mit dem Maedel am Empfang ueber den Andrang spreche entschuldigt sie sich prompt ueber die Masse an Chinesen… Suess.

Ich bin ich nicht boese und versuche nun unserem Navi die naechste Adresse beizubringen. Aus “No. 36, sec 4, Bin Hi Road, Tauchen, Yi Lan County” laut gestrigem Internetbesuch auf der offiziellen Internetseite des Hotels wird „Toucheng, Ilan County“. Der Rest uebernimmt Navigationssytem 0.9 plus Orientierungssinn 1.0 – liegt das Ding doch direkt an der Ostkueste.

Obwohl diese Adressunschaerfe wirklich schwierig ist muss man aber ganz klar sagen, dass wir ohne das Navi *total* aufgeschmissen waeren. Ist doch der fliessende Verkehr ziemlich hektisch (ueberall zischen die Scooter vorbei – Sao Paolo laesst gruessen), die Spurbegrenzung ist mehr Hinweis als wirklich Grenze und im Schilderwald der Leucht- und sonst. Reklame sind die winzigen englischen Uebersetzungen der Strassennamen extrem schwierig auszumachen…

Alternativ hatte ich eine Route mit dem in Taiwan bereits verfuegbaren Dienst Google Street View vorbereitet – das waer aber ziemlich sicher in die Hose gegangen…

Mit dem Navi schaffen wir es aber problemlos raus aus der Stadt, auf der 5 geht es durch den laengsten Tunnel Asiens. 17km. Anscheinend hat bei dem Bau jeder Kilometer der Baustelle durch diverse Unfaelle und Katastrophen mind. ein Menschenleben gefordert. Die Ingenieure waren wohl drauf und dran, das Projekt einzustellen.

Uns beschert der Tunnel auf jeden Fall einen easy Transit an die Ostkueste in unser heutiges Hotel. So wie es scheint sind wir die einzigen Gaeste, denn es schwirren beinahe staendig mehrere Leute des Personals um uns rum, und sei es nur, um sich mit Heidi, äh, Verzeihung, mit Toni fotografieren zu lassen.

Zum Abendessen wird uns dezent zum Seafood Menu geraten – alles andere waer aus. Wir probieren das acht Gaenge Menu fuer umgerechnet 15EUR – und sind begeistert. Toni haelt Contenaince bis zum 6. Gang was unmittelbar zum Erfolg des Menues beitraegt.

Wir wollen dezent aufs Zimmer verschwinden doch das Personal will fuer uns eine Laterne steigen lassen. So zieht uns das Personal an den heissen Quellen vorbei zum felsigen Strand, laesst uns unsere Wuensche („if it flies really high your wishes come true!“) auf die Laterne schreiben, bevor wir dem Ding Zunder geben.

Dann gehts aufs Zimmer, die Frauen ins Bett und ich ins (japanische?) Teezimmer, ein Separee, hoeher gebaut wo auf schwingenden Bastmatten ein niedriger Tisch steht. Das Ganze mit edlem Blick auf den Pazifik. Traumhaft schoen.

Wofuer das K steht, wisst ihr ja schon, denn bei bei mir gibt’s anstatt T(ee) TGMB - sprich: Taiwans Gold Medal Beer – zum Blogschreiben. Ich hoffe Euch gefaellts.

Beste Gruesse,
Marc