Der Wells Gray Park hats in sich. Heimat von wunderschönen Wasserfällen. Drei davon, die Spahats, Dawson und Helmcken Falls, schau ich mir an. Auch wenn die Zufahrtswege noch mit teilweise zwei Fuss Schnee bedeckt sind - ich wandere in den vom Neuschnee der Nacht fast ganz überdeckten Fussspuren der paar Anderen vor mir rein.
Jedesmal, wenn mich die vorgetretenen Spuren trotzdem nicht halten und ich knietief in den Schnee einsinke überlege ich mir, das naechste Mal wirklich die Schneeschuhe anzulegen. Dafür habe ich sie doch dabei.
Jedesmal bin ich zu eifrig aus dem Wagen in Richtung Wasserfall unterwegs und denke "ach die paar Meter" und jedesmal, wenn ich dann wieder knietief durch den Schnee stampfe überlege ich mir das nächste Mal jetzt aber wirklich die Schneeschuhe anzulegen.
Das Spiel wiederholt sich heute einige Male...
Der Park ist mit das Schönste, was ich in Kanada gesehen habe. Der Park ist durch Vulkanismus und Erosion geprägt und legt eindrucksvoll die verschiedenen Sedimente des Gesteins der Gegend offen. Drumrum und obendrauf natürlich wie überall in Kanada immergrüne Nadelwälder. V.a. der nach einem deutschen Arzt benannte Helmcken Falls haut mich aus den Socken: stürzt über 140m in einen durch die Gischt geformten Eiskegel. Drumrum nur ein paar Einhörnchen, ein paar Bisons(!) auf der Weide - und ich.
Das es hier noch ein paar andere Zeitgenossen gibt, sehe ich auf dem kleinen Trail zu den Dawson Falls. Die Dawson Falls sind breite, massige, stromschnellenartige Wasserfälle, über die sich mit Wucht der hier eigentlich seichte Fluss wälzt. Hier fischt und scheisst wohl auch Meister Petz wie er mit einem mächtigen Haufen direkt neben dem Warnschild signalisiert.
Schnee lag da keiner drüber. Bitte fragt mich nicht ob er noch warm war, der Haufen...
Zum Abschied aus den Rockies noch nen Bären sehen, am besten aus dem Auto raus, das wär schon was. Aber die Rockies haben sich einen anderen Abschiedsgruß überlegt: Einen Schneesturm auf den Coquihalla Highway. Aus dem anfänglichem pittoresken Schneefall wird eine weisse Wand, mit z.T. weniger als 50m Sicht. Fotografiere ich vorher noch munter beim Fahren, so fang ich jetzt an zu schwitzen. Der Schnee krabbelt langsam von neben der Autobahn auf den Standstreifen und dann auf die Fahrspuren. Mist. Heute sind 500km bis nach Vancouver zu spulen und ich hab weder Proviant noch ne Kerze dabei, wenn das jetzt noch schlimmer wird. Selbst die Riesentrucks machen auf langsam. Ich häng mich hinter einen solchen und bleibe auf Abstand zu den Schlussleuchten...
Zum Glück klärt sich das Wetter nach dem Pass. Wir verlieren rapide an Höhe - es geht steil nach unten, unter die Schneefallgrenze - und dann kommt die Farbe zurück. Schnell strahlt mich links und rechts von der Autobahn ein saftiges Grün an. Erledigt. Es geht Kilometer an
Kilometer stetig nach unten. Der Trans Canada Highway zeigt sich auf den letzten Kilometern nach Vancouver bei weitem nicht so hässlich wie beim Rausfahren vor sechs Tagen. Dafür sehe ich ne Facette an Vancouver Downtown, die ich so bisher nicht wahrgenommen habe.
Ich fahre die West Hastings rein. An einer roten Ampel Ecke Carall Street fallen mir die abgerissen Gestalten auf, die hier rumhängen. Alles miteinander Obdachlose?, alkoholisiert, baertig. Einige sabbernd auf Krücken oder apathisch auf Pappkartons. Uhhh. An der nächsten Ecke torkelt einer mit ner Platzwunde auf der Stirn durch die wartenden Autokorridore. Die rote Suppe läuft im ins Auge, am Jochbein herab und färbt die ganze rechte Gesichtshälfte ein...
Am nächsten, meinem letzten Tag in Vancouver und in Canada fahre ich nochmal den Sea-to-Sky Highway hoch Richtung Whistler. Es ist nochmal traumhaftes sonniges Wetter. Auf dem Aussichtspunkt im Cypress
Glenn gibt mir im Gegenzug eine Einladung zum Abendessen mit seiner Familie und einige Einblicke in seine "Mission" - www.mayiprayforyou.com.
Ich fahre weiter Richtung Squamish durch den Park. Kontinuierlich schraubt sich die Strasse höher und schnell liegt wieder meterhoch der Schnee neben der Strasse. Dann: ein Skigebiet. Ich lande in einer Sackgasse auf einem Parkplatz von dem links und rechts die Sessellifte hochgehen!
Der Parkplatzwächter schaut mich einigermassen entgeistert an, als ich frage, ob die Strasse hier nicht weiter geht. Das iPhone ist nämlich felsenfest davon überzeugt, mich über den Parkplatz hinaus durch 2 1/2 m Schnee zu schicken.
Also zurück auf den Sea to Sky Highway mit seiner einmaligen Lage zwischen Meer und Himmel. Knips. Knips. Der Auslöser surrt. Der Motor schnurrt. Die Tankanzeige fällt weiter gegen Null, soll ich das Ding doch morgen mit leerem Tank zurückgeben.
Horsehoe Bay. Nettes kleines Dörfchen. Rechts legen die fetten Autofähren Richtung Vancouver Island ab, links Kleinstadtidyll am Bootsanleger. Am Bootssteg weht mir kräftiger Marihuana Duft anstatt Fischgestank entgegen. Die örtlichen Teens beduften den Kai...
Sqamish. Hier stürzen die Shannon Falls spektakuläre 335m in die Tiefe. Ein paar Meter weiter steht der Stawamus Chief und schaut majestätisch auf die kleinen Menschlein herab.
Ich dreh um und fahr den Highway wieder auf der anderen Spur runter. You can't get lost.
Latsch den Nachmittag durch Vancouver und schau mir das noble Hotel des Canada Place zum Sonnenuntergang an. Laut Reiseführer muss man da unbedingt reingehen und so schieb ich mich an uniformierten Gepäckträgern an der Tür vorbei und geh eben rein. Laaaaangweilig!
Interessanter wird es nochmal in Chinatown, bzw. in Gastown. Da pass ich jetzt auch ganz gut hin, nach der inzwischen 6 tägigen Burgerdiät kommt da schon einiges an Gas zum Vorschein, nicht nur in der mit Gas betriebenen Gasclock, von der ich ja schon letztes Mal berichtet hab.
Ich trödel so weiter durch Gastown. Scheint ein Ausgehviertel zu sein. Allerdings nicht Montags. Die Strassen sind leer. Dunkel ists auch schon. Ich latsch zwei Blocks weiter, bieg um die Ecke - und find mich wieder in der West Hastings Ecke Carall, wieder mitten in den Reihen der abgebrochenen Gestalten. Auf dem Bürgersteig gegenüber stehen sich zwei Gruppen zwischen 7 und 10 Mann gegenüber, Poltern aggressiv rum, bauen sich drohend voreinander auf.
Ui. Wo bin ich denn hier gelandet? Die Gruppen lösen sich auf und spritzen auf meinen Gehsteig. Einer davon brüllt eine Passantin an. Die weicht verstört aus und geht weiter.
Auch ich laufe stoisch aber bis ins Haar angespannt weiter. Mann. Mann. Mann.
Von Block zu Block so unterschiedlich. Einen Block noch genauso unangenehm, am nächsten Block dann - das muss ne Abendschule sein - ein Yogakurs, dessen tuckiger Lehrer irgendwelche Zoten zum Besten gibt. Allgemeines Gelächter. Von Aggression keine Spur. Der nächste Block: eine Vernissage in einem Glaspalast. Vom Comikkünstler in Hoodie und Basecap bis zur Dame im Abendkleid. Vom Sektglas zum Starbucks-Kaffebecher. Irre Mischung. Irre Stadt.
Ich bin raus hier. Morgen gehts raus aus Canada und rein nach Californien. Bis dann.