Dienstag, April 12, 2011

Whistler to Vancouver

[Vancouver 12. April 2011]

Ein verregneter Tag in Whistler. Zeit die weitere Reise zu beplanen. Aus meiner urspruenglichen Idee, mit nem Mietwagen durch die Rockies nach Calgary zu fahren, wird nichts. Der Gelaendewagen selbst ist garnicht so teuer, die Rücküberführungskosten die fällig werden, sind allerdings nochmal doppelt so viel, wie der eigentliche Mietpreis...
Also hol ich die Kiste in Vancouver, und geb sie eben dort auch wieder ab. Gut, dass ich nicht zuerst den Flug gebucht habe...

Ich packe meinen Krempel zusammen und organisiere meinen Transfer zurueck nach Vancouver so, dass ich morgen nochmal mit dem Heli aufsteigen kann. Es schifft den ganzen Tag im Tal - was oben feinsten Pulver bedeutet. Und fuer morgen soll die Wolkendecke aufreissen, so dass es ein vielversprechender letzter Tag im Heli werden kann...
Bevor ich mir am naechsten Morgen gross Zeit fuers Kopfkino mit den beiden FIS Rennfahrern aus Aspen lassen kann, klingelt auch schon das Telefon: der Heli bleibt aufgrund instabiler Wetterlage und verminderter Sicht am Boden. Ob ich morgen fliegen will?
Klar will ich - ich kann aber nicht, ist das heute doch mein letzter Tag im olympischen Dorf ! So bringt La Nina zwar erneut nen halben Meter Schnee nach Whistler - versaut mir aber auch meinen letzten Helitag.

F**k. Aber gegen das Wetter ist man nicht gefeit. Ich checke aus, geb mein Brett zurueck und schau mir nochmal das Village und die beiden Hauptlifte an. Während ich da so sitze kann ich an eigener Haut ziemlich gut merken, wie sich das Wetter heute auf einen Schlag aendert. Von purem Sonnenschein zu extrem dichtem Schneetreiben sind es hier keine 10min... Nee, nee bei solchen Umstaenden will ich auch nicht wirklich im hochalpinen Gelaende stecken...

Ich vertreib mir die Zeit bis zum Bus in nem Pub direkt an den beiden Hauptliften und saufe furchtbares canadisches Ale. Hat mir der Barkeeper in blumigsten Worten empfohlen und so heisst es hoefliche Miene zum boesen Getraenk machen. Der erstklassige Burger egalisiert das Geschmacksdesaster ein wenig.

Dann der Nachmittagsbus runter nach Vancouver.
Was ich auf der Hochfahrt am Ende der 20stuedigen Reise verschlafen habe, koste ich heute voll aus. Das vorhergesagte Schoenwetterfenster oeffnet sich unmittelbar aus Whistler raus und so kann ich den unglaublich schoenen Sea-To-Sky Highway in vollen Zuegen geniessen:
Der Highway klebt foermlich an den steil aufragenden Bergmassiv links, wohingegen es rechts steil ins Wasser runtergeht. Oeffnet man den Blick ueber das Wasser weiter nach rechts, so sieht man wieder Berge aus dem Wasser aufragen. Die Sonne glitzert im Pazifik, die Schleier- und Cumulus Wolken schmiegen sich an die schneebedeckten Berggipfel links und rechts vom Wasser. Gegen die Ausmaße muss man sich einfach nur klein fuehlen. Wildes Kanada. Wunderschoen. Ich freu mich darauf selbst in eigenem Wagen weiter rein zu fahren.

Jetzt geht es aber zuerst mal nach Downtown Vancouver. Ein Glaspalast ohne Ende. Ein glaesernes Hochhaus am naechsten, vollbetoniert, laut, viel Verkehr - auf und neben der Strasse. Ne Mischung aus New York (weniger hoch) und Sao Paolo (weniger warm).

Ich steige aus dem Bus aus und werde Zeuge wie ein suesses schwules japanisches Päarchen sich auf dem Asphalt vor mir produziert: tuckig herumtänzelt, singt, kichert und dann rechts abbiegt ...
Willkommen in der Grosstadt.

Ich laufe ein paar Blocks zu meinem Hotel, checke ein und hop-hop runter auf die Strasse. Noch ist super Sonnenschein, aber ich kenn ja die Wettervorhersage aus Whistler...
Also die Granville runter Richtung Waterfront. Soviel wie moeglich noch in der Sonne mitnehmen.

Wow, sieht so aus, als waer ich direkt im Rotlicht/Kneipenviertel einquartiert:
Liquor Store an Sex Shop (nackte Mädels + Hello Kitty Puppen(?) im Schaufenster, Peepshow ab 25 Cent) an Club an Kneipe an Tatoostudio an Friseursalon an Schuhgeschäft...
Hä? Komische Mischung.

Weiter die Strasse runter ueberwiegt dann das reguläre Shoppingangebot.
D.h. ich schau weniger in die Schaufenster, dafuer mehr auf die Strasse und seh vor allem zu, dass ich die Vielzahl an unterschiedlichen Eindruecken verarbeitet bekomme.
Hier ein Ausschnitt:
Ein irrer kurzer Minirock auf hohen Stelzen überholt mich und flattert vor mir her; (Ich latsche hier in meinen Snowboardklamotten rum und schwitze nicht mal! Da kriegen andere Frauen schon vom blossen Hinschauen ne Blasenentzuendung;) ein ganz in Leder gekleideter Typ inkl. Ledermuetze und - wohl auch Lederunterhose; ein aggressiv bettelnder Penner; viele baertige Hillbillies mit dickem Rauschebart a la Silent Bob, teilweise in kurzen Hosen und tätowierten Unterschenkeln; Geschäftsmänner in grellgelben Krawatten mit Starbucks Bechern und Blackberries; Punks in ebenso grellen Klamotten in Hausecken; ein Opi heizt mich in seinem Elektrorollfeuerstuhl in irrem Tempo fast über den Haufen; viele Strassenmusikanten und noch mehr Asiaten - mind. jeder Vierte hat japanische, chinesische, koreanische oder was weiss ich fuer asiatische Züge; ein Skater springt vom Gehweg auf die leicht abschuessigen Hauptstrasse auf sein Longboard, hängt sich an einen Metrobus und laesst sich von ihm ziehen; Dampf steigt aus nem Gullideckel auf; die Abendsonne lässt die Glassfassaden funkeln...
Wowowwieewaa. Was für eine intensive urbane Mischung hier in Vancouver.
Ich schaue, staune und knipse.

Zum Abendessen gibt es nen Burrito fuer 6$ und nen Corona fuer 6$.

Der nächste Tag steht im Zeichen des Rads. Zuerst oben im Penthouse-Fitnesscenter des Hotels auf den Drahtessel mit Blick auf die Skyline, dann auf dem hauseigenen Fahrrad auf die Seaside Bicycle Route. Einmal um Downtown rum verläuft diese absolut phänomenale Tour, die mit nichts was ich bisher an Staedten beradelt habe vergleichbar ist. Noch nie bin ich an so ner Skyline so lang (28km) und doch so abwechslungsreich entlanggeradelt. Und das in ner Stadt, die gerade erst ihren 125jaehrigen feiert. Mann, das ist wirklich nicht lang: mein Grossvater (Gott hab ihn selig) waere in diesem Jahr 107 Jahre alt geworden...

Ich starte im Süden von Downtown, an der Granville Bridge ostwärts. Direkt am Wasser an den eins nach dem anderen aufgereihten Glashochhausfassaden. Der Yachthafen, das Canucks Stadion; am Onminmax machen Polizisten auf ihren Harleys eine Art Führerscheinprüfung, oben drüber fährt der Skytrain. Dahinter, omnipräsent die schneebedeckten Berge des Umlandes. Was für eine Photokulisse.

Weiter zum olympischen Dorf, überall sehr sozialer Wohnungsbau auch und gerade auf der Südseite im False Creek. Im Vanier Park dann weitläufiger Sand und phänomenaler View auf die English Bay, wo die Supertanker warten.

Zurück über die Burrard Bridge zum Hotel und ein Extra-Akku geholt, da ich aus dem Knipsen nicht mehr herauskomme. Hab mich sonst immer ueber Sanela und ihre asiatischen Fotofrequenz-Gene lustig gemacht. Heute bin ich selbst Mr. Vancouver-Paparazzo. Unglaublich aber wahr. Fahren. Gucken. Knipsen. Weiterfahren.
Weiter gehts nach Nord-Westen Downtowns in den Stanley Park. Das Naherholungszentrum von Vancouver bietet wunderschön anzusehende Rotfichten(?). Der Waldbestand hat fast schon
Regenwalddimension. Dazu die ganze Zeit spektakuläre Ausblicke auf Downtown Vancouver, den Canada Place, die Lions Gate Bridge, den alten Bootsruderklub, auf die umliegenden Berge, startendene Wasserflugzeuge, der Industriehafen, 'ne Tanke mitten im Wasser, und und und. Der Auslöser der Kamers surrt vor sich hin. Heute mehr als 250mal. Ich blas in den 4h fast nen Gigabyte an Footage auf die Kamera. Also ungefähr jede Minute ein Bild. Sanela wäre stolz auf mich :-)

Kurz vor 18.00h bin ich zurueck am Hotel. Nach der ganzen Kurbelei, denk ich mir, lass ich jetzt jemand anderen Kurbeln: ich geh ins Drehrestaurant Top of Vancouver und schau mir die ganze Tour nochmal aus 167m Höhe an. In 1h dreht sich hier Dein Tisch nocheinmal ueber die tolle Skyline Vancouvers hinweg.
Ich gebe dieser Rotation mit dem georderten Merlot noch eine gehörige Portion extra-Spin mit, hehe ;-)

Als letzten Sightseeingpunkt von heute - nicht nur der Magen ist jetzt gut satt, auch die Birne ist von Eindrücken übervoll - schau ich mir noch Chinatown mit der Steamclock an. Das ist eine dampfbetriebene Uhr, die viertelstündig pfeift und stündlich Dampf ablässt.

Gut ists fuer heute. Morgen SUV-Pickup am Flughafen und ab in die Rockies.