Freitag, April 15, 2011

Unterwegs auf dem Trans Canada Highway (TCH)

[Banff, Rocky Mountains 14.04.2011]

Was fuer ein Highway, auf dem ich bis jetzt zwei Tage, ungefähr 16h Fahrtzeit, und so. 1000km unterwegs bin. Die einzige durchgehende West-Ost Verbindung Kanadas gibt es erst seit 1962 und trägt zurecht die Nummer 1.
Als ich in Vancouver auf ihn drauffahre, zeigt er sich noch unspektakulär, ja sogar schon hässlich: eine einzige Baustelle, viel Verkehr, stockender Verkehr und dreckige Landschaft drumrum. Drum bieg ich auf eine Nebenstrecke ab (#7) die mir schnell einen Vorgeschmack gibt, was mich in den nächsten zwei Tagen alles erwartet: einsame, einspurige Landstrasse, viel Wasser begrenzt von anmutig hohen Bergen. Mal dicht mit Tannen/Fichten/Kiefern bewachsen, mal nur Buschwerk. Immer aber angezuckert mit Schnee. Ab und an See links und rechts der Strasse. So gut wie keine Häuser. Immer seltener werden die Siedlungen in der wilder werdenden Landschaft. Natürlich nimmt die Besiedlung weiter ab, je weiter man aus dem Ballungsraum Vancouver draussen ist. Aber das noch - und noch - und noch weniger Besiedlung geht, macht die Fahrt doch sehr speziell.
Schnell ist der Vergleich zu Australien oder Namibia in meinem Kopf.

Bei Hope - einem Städtchen, dass bei dem die gute Hoffnung eigentlich schon fast verloren ist (ein irre kleines Kaff!) - will ich mir die Othello Quintette Tunnels anschauen, fünf in kurzen Abschnitten hintereinander durch nackten Granit gehauene Tunnel, die einmal Teil irgendeiner Eisenbahntrasse waren. Nicht ganz einfach, denn nicht nur der Weg dahin ist voller Hindernisse. Zunächst fehlen 200m Zufahrtsstrasse. Die werden gerade neu angelegt. Was bleibt ist eine sumpfige Baustellendirtroad drumrum, die ich hinter dem örtlichen Caterpillar befahre. Ich muss an den Mietvertrag denken: sind jetzt solche Dirtroads mit drin oder nicht?
Egal. Das bisschen Dreck ist kein Problem.

Schwieriger ist der Eingang zu den Tunnels. Die sind nämlich nicht offen sondern der Eingang mit Maschendrahtzaun und Stacheldraht komplett verrammelt. Das heißt beinahe komplett. Rechts des Eingangs ist ein Spalt, breit genug fuer einen deutschen Touristen.
Also rein da und ab in den ersten Tunnel.
Hmmm, ich kann zwar den Ausgang sehen, seh aber nicht, was unmittelbar vor mir ist. An der Höhlendecke aus Granit tropft das Wasser mir in den Nacken. Ich hoffe das bleibt bei den Wassertropfen. Wenn nicht, dann sucht mich hier drin erstmal keiner.
Super, Marc. Das Headlight liegt im Auto, zusammen mit den Bergschuhen. Dann taps ich also hier mit meinen Turnschuhen durch.

Der ersten Tunnel ist geschafft und ich stehe auf einer Holzbruecke. Unter mir ein tosender Fluss mit jeder Menge aufgetuermten, abgerissenen Baumstaemmen. Links und rechts gehen die Granitwaende steil nach oben. Ab und an steht in dieser tierisch zerkluefteten Wand tatsächlich ein hoher Nadelbaum. Wie die der da wachsen kann? Faszinierend.

Ich gehe auf die Holzbrücke und überlege mir, ob so ne Holzbrücke eigentlich nach jedem kanadischen Winter instand gesetzt werden muss, bevor sie wieder fuer den (deutschen) Touristen freigegeben wird...
Die Perspektive in die Tunnel rein ist bemerkenswert. Leicht gebogen kann man nicht durch alle auf einen Blick sehen. Die Krümmung und das leichte Versetzen der Tunnels inmitten der schroffen Natur, den steil ansteigenden Granitwaenden nach oben, und dem tossenden Fluss unter mir lassen mich etwas schwindelig werden. Ich krieg irgendwie nie alles gleichzeitig ins Bild, geschweige denn scharf...

Ein bisschen wakelig laufe ich über die Holzbrücke. Mach ein paar Bilder und sehe zu dass ich ohne Stein auf dem Schädel wieder auf den Trans Canada Highway komme.

Nächster Halt ist die Flussmündung zwischen Fraser und Thomson River. Sehr fotogen fliesst hier sedimentbeladenes, braunes Wasser mit einem klaren Gebirgsfluss zusammen.

Auch sehr fotogen sind die Roadtrucks, die mir ab und an entgegenkommen. Starkeamerikanischen Zugmaschinen mit langer Motorhaube ziehen riesige Zweispänner, a la "Convoi" oder "Over the Top". Die Dinger müssen deutlich stärker motorisiert sein als unsere LKWs; ab und an überholt mich nämlich auch mal einer, dem die vorgeschriebenen 100 km/h die ich hier vorbildlich fahre anscheinend zu langsam sind.
Ab und an zieh ich auch mal auf die Standspur raus - was eine riesen Staubfahne zur Folge hat -nur um so einen monströsen Kühlergrill aus meinem Rückspiegel zu bekommen. Bin doch im Urlaub hier...

Die Landschaft verändert sich langsam während ich Kilometer um Kilometer fresse. Die dichtbewaldeten Berghänge weichen einem eher steinigen, sandigen Untergrund. Nur noch spärlicher Bewuchs. Ich mach zum ersten mal meinen Tank wieder voll. Wie war das noch? Zuerst Kreditkarte in die Zapfsäule stecken? Zuerst drin bar bezahlen? Und warum kommt kein Sprit raus? Der Chinese mitten in der Einöde erklärts mir nochmal. Erst abheben, dann den Zapfhahn hochklappen (damn! Das wars. Schon ne Weile her seit dem letzten Nordamerikaaufenthalt...). Dann tanken. Dann zahlen. Dann abhauen.

Puhh. Die Distanzen sind ordentlich. Bin mittlerweile 8h am Steuer - hab allerdings nur 500km gespult und die Sonne geht langsam unter. Null Verkehr, nur ab und zu mal einen, mehrere kilometerlangen Zug auf den Gleisen unterhalb des TCH (gerne auch mal vertikal gestapelte Container).
Dann endlich Kamloops. Die laut Reisefuehrer heisseste Stadt Canadas (im Sommer im Schnitt 28 Grad) bietet mir ein garnichtmal so günstiges Bett, dafuer entpuppt sich das Bad als Whirlpool und so lass ich mich nach dem Durchrütteln heute auch auf der Strasse noch ein bischen Einweichen in der Wanne bevor ich bei nach wie vor beschissenem canadischem Fernsehprogramm einpenne.

Der nächste Tag bringt mich weiter auf dem TCH nach Revelstoke, wo ich hoffe nochmal einen Heli zu erwischen. Schimpft sich Revelstoke doch das "Heli Skiing Capital of Canada".
Dumm nur, das der Heli seit vorgestern wieder im Hangar steht - und das weltklasse Skigebiet erst wieder uebermorgen (am Samstag aufmacht).
Sieht so aus als waere ich in einer temporären saisonalen kanadischen Anomalie gefangen. Sogenannte Zwischensaison. Die einen Sachen haben bereits geschlossen, waehrend die anderen Sachen erst wieder aufmachen. Dann hat das Capital eben schon zu.

Und nicht nur das Capital of Heliskiing hat schon zu. Auch der Revelstoke NP, der Glacier NP oder auch der Yoho NP hat noch nicht wirklich auf. Scharf bin ich v.a. auf die ganzen Wasserfälle. Die müssen jetzt im April mit der Frühlingsschmelze phänomenal sein...

Pustekuchen! Die Wanderwege an die Aussichtsspunkte sind nämlich nicht nur geschlossen sondern die Zufahrtswege / Parkplätze dahin sogar noch meterhoch mit Schnee und Split gesperrt! Hier kommt der deutsche Tourist garnicht auf die Idee trotzdem reinzufahren...

Noch dazu weil ich meine Kiste mit ihren dezent abgefahrenen Allwetterreifen auf nem schneebedeckten Parkplatz mal auf Schneetauglichkeit getestet habe. Der Jeep Liberty schimpft sich zwar 4x4 und - ja - hat sogar ne Differntialsperre und ne Geländeübersetzung. Auf dem schneebedeckten Parkplatz des unglaublich protzigen Fairmount Chateau Lake Louise verhält sich die Karre allerdings wie ein mit Blei gefüllter Altpapiercontainer auf Schotter. Erst kriegt er nicht wirklich Traktion, dann schmiert er aus der Spur.
Schrott.
Ich denke da sehnsüchtig an den Hillux mit Dachzelt damals in Namibia

Die kontinuierlich beiindruckende Aussicht tröstet mich aber über den entgangenen, tieferen Einblick hinweg. Zwischen dem Glacier NP, Golden und dem Yoho Nationalpark z.B. trau ich meinen Augen kaum: der TCH geht in einer Senke mitten zwischen zweier wirklich atemberaubend schönen Bergketten hindurch! Links wie rechts stehen sie da wie Orgelpfeifen nebeneinander. Die Nachmittagssonne strahlt sie an, die Berghaenge voller feinstem Pow-Pow. Oberhalb der Baumgrenze sieht man die überhängenden Schneewächten, die Konturen sind wunderbar klar und definiert - keine Spur von Unschärfe durch Smog. Neben den Wächten, tolle, weit-auslaufende Gletscherzungen. Das müssen fantastische Abfahrten sein.

Also nicht jammern über das Entgangene, sondern freuen über das was Du mitnehmen kannst! So ändere zumindest ich meine Bereifung - ich sattle um von Turn- auf Bergschuhe - und wandere ein wenig um den Lake Louise herum.

Hier liegt inzwischen absolut malerisch halbmeterhoch der Schnee auf den Dächern, riesige Eiszapfen hängen von den Strassenbrücken. Der Lake Louise selbst ist zugefroren, die Strassen hin und weg aber frei.

Um weiter in die National Parks vorzudringen benötigt man Permits. Die bekommt man aber nur bei den Visitor Centern. Die, die ich anfahre - ihr könnts Euch schon denken - haben zu!
Also erstmal weiter nach Banff. Dem touristisch beliebtesten Nationalpark in Western Canada.

Ich komm an und auch hier erstmal tote Hose. Das vermeintliche Visitorcenter am Eingang des Örtchens entpuppt sich als Eis- und Curlingstadion, wo sich das ganze Dorf versammelt hat. Das Visitor Center selbst hat - ihr könnts Euch denken - bereits zu. Also mach ich mich direkt auf die Suche nach einem Hotel. Ich lande schliesslich in der Bow View Lodge, wo mich der Receptionist nett eincheckt, mich anhand meines Namens als Deutscher erkennt und wir dann drauf kommen, dass seine Freundin und ich praktisch erweiterte Nachbarn sind. Sie kommt aus Zorneding, bei München...
Tss, der Typ aus Zamdorf jedenfalls haut sich jetzt ins Bett um morgen zu den verkürzten Öffnungszeiten der Touristinformation sich auf jeden Fall nochmal umfassend zu informieren wo er denn mit seinem Altpapiercontainer in den Rockies im April doch noch so hinkommen kann ;-)