Bevor ich Euch jetzt mit schauerlichen Tauchgeschichten vom Wrack der US Liberty verwöhne, erst noch ein bißchen Werbung für meinen balinesischen Lieblingsfahrer Wayan. Der liebe Kerl, eigentlich ja nur für einen "Transport"von Ubud nach Tulamben gebucht, macht aus der Fahrt eine Sightseeingtour.

An beiden Sehenwürdigkeiten schlag ich den Sarong-Verkäufern erneut ein Schnäppchen. Diesmal funktioniere ich das aus München aufgrund der kompakten Größe als Ersatzhandtuch mitgenommen Strandtuch-Souvenir aus Rio de Janeiro zum Sarong um. Das auf diesem Sarong der Corcovado sowie der Rest der Skyline der Copababana drauf ist, scheint niemanden zu stören. Schön bunt ist es ja.
Viel Zeit zum näheren Fledermaus-Watching ist nicht, der Himmel öffnet

Letzter Zwischenstopp ist der Wasserpalast Tirta Gangga, dann ist Tulamben erreicht.
Wow! Tulamben ist eine Strasse, an der sich Tauchschule an Tauchschule drängt, sowie ein paar Stichstrassen runter zum Meer. Das wars!
Zwischen den Tauchschulen findet man sogar noch das ein oder andere Gemüsefeld. Unglaublich.
Was wir zunächst nicht finden, ist mein Hotel, welches sich dann doch in einer diesen Stichstrassen direkt am Meer findet. Es giesst in Strömen. Das Hotel besteht aus 6 Bungalows und gefühlten 50 Angestellten, von denen ein Grossteil jetzt mit Schirmen aus der Rezeption eilt damit ich und mein Rucksack trocken in einen Bungalow direkt am Meer überwechseln können.
Dort angekommen, kann ich meine Kreditkarte entsperren. Das Tauchen ist gerettet. Ani bringt mich per SMS mit ihrem Bekannten zusammen, Sandy. Der ist Divemaster und hat in Tulamben eine kleine Tauchschule. Ein Anruf später sitze ich in seinem kleinen, offenen Büro, trinke balinesischen Kaffee, rauche und fachsimple im Tauchjargon - so gut es nach 6 Jahren Pause eben geht ;-)
Sandy ist schwer - erinnert ein wenig an Israel IZ Kamakawiwo'ole (ihr wisst schon: "somewhere over the rainbow"...) - und auch schwer in Ordnung. Macht einen guten Eindruck und mir einen Ani & Wieda Freundschaftspreis: die Hälfte des Üblichen :-)
Sandy erzählt, dass beide Mädels mit ihm - obwohl keinerlei Paddy oder CMAS Ausbildung - mehr als 25 Tauchgänge gemacht haben. Ani - so sagt sie selbst - kann nicht gut schwimmen und Wieda hat zunächst noch mit geschlossenen Augen getaucht, da sie die Blasen der Atemluft unter Wasser erst als böse Dämonen identifiziert hat :-)
Zwei Tauchgänge morgen vormittag sind also geritzt - ich geh einen Grillteller essen im Safety Stop - einem deutschen(!) Lokal an der Hauptstrasse, dann gehts mit Vorfreude und ein wenig Unsicherheit ins Bett. Wie das Tauchen nach 6 Jahren Pause morgen wohl funktioniert...?
Der nächste Tag kommt und bringt mein erstes Wrack. Die US Liberty wurde im zweiten Weltkrieg von einem japanischen Uboot torpediert und drohte zu sinken. Also wurde sie kurzerhand auf den Strand gesetzt. Ausströmende Lava eines Ausbruchs des Vulkans in den 60ern schob sie vom Strand 20m zurück ins Meer.
Dank der fruchtbaren Lava haben sich dann 50 Jahre lang die Korallen ausgetobt und ein Bild erschaffen, das wirklich sehenswert ist. Alte Kriegstechnik, massive Bordkanonen, Flaks etc., überwuchert von neuem, marinen Leben. Schwärme von Jackfisch, erstaunlich viele Flötenfische, Papageienfische, Pufferfische und jede Menge weitere Korallenfische schwimmen da zwischen dem auseinandergebrochenen Kriegsschiff...
Aber zunächst heisst es Hinkommen zum Wrack.
Sandy und ich steigen über von der Brandung abgeschliffenes Vulkangeröll in die Fluten und ziehen in der Brandung unsere Flossen an.
Dann Abtauchen. Luft aus dem Jacket und aus der Lunge und runter gehts.
Mich durchströmt sofort ein Gefühl der Beklemmung und ich ziehe wie wild Luft durch meinen Regulator in die Lunge. Fast schon asthmatisch häng ich da in sich aufdrängender, beginnender Panik.
Come on, Marc! Du weisst doch wie's geht! Beruhige Dich!
Nix da. Die Schnappatmung will nicht weichen. Ich denke an nix anderes, als ausreichend Luft zu kriegen, doch davon will partout nicht genug aus der Flasche kommen.
Also wieder hoch. Konzentrieren. Und wieder runter.
Jetzt geht es schon besser, aber immer noch nicht genug um sich wirklich wohlzufühlen. Auch das routinemäßige Maske öffnen, mit Wasser volllaufen lassen und durch Abatmen wieder freimachen will nicht wirklich klappen.
Mann, ich geb hier einen blutigen Anfänger ab! Das kann doch nicht wahrsein!
Beim Abatmen der Maske zieh ich auch noch Wasser durch die Nase und muss unter Wasser husten. Keine gute Idee. Nochmal hoch. Beruhigen, Konzentrieren. Und wieder runter.
Wir beschliessen das Üben sein zu lassen, und einfach zu tauchen.
Eine gute Idee. Sobald ich ein paar Halfterfische ("Khan" aus findet Nemo) sehe, gibts das Aha-Erlebnis. Siehe da: die Fische beruhigen mich. Natürlich! Einfach nicht aufs Atmen konzentrieren. Dann geht alles schon von alleine! Genau. Luft ist genug da – und jede Menge Weiteres zu sehen.
Danke, Khan :-)
Die Zuversicht kommt zurück. Das Tarieren unter Wasser ist kein Problem und wir tauchen in einen riesigen Schwarm von Jackfish ab. Mehrere hundert, wenn nicht tausend unterarmlange Fische kreisen hier, wie eine Windhose um uns herum. Woooowww!
Im Auge des Unterwassertornados ein riesiger Jackfish, wohl 4 mal so gross, wie seine Artgenossen. Ohne Frage der Boss.
Im Schwarm läuft mir dann schon wieder die Maske voll mit Wasser. Aber diesmal weiss ich mir zu helfen und schiess das eingetrene Wasser mit einem Luftstoss aus der Nase wieder raus aus der Maske. Maske frei. Geht doch! Es kann weiter gehen.
Wir tauchen weiter ab. Auf 18m kommt das Wrack in Sichtweite. Wir tauchen vom Heck das Wrack an. Sandy zeigt mir das Ruder des auf der Seite liegenden Schiffes. Dann gehts durch einen großen Riss in den Laderaum hinein und oben durch eine weitere Abbruchkante wieder hinaus. Grossartig!
Wir schwimmen über ein Feld Korallenröhrenaale, die sich in dem das Schiff anschmiegenden Lavasand ihre Hausröhren gebuddelt haben. Auf dem Feld verschwinden bei unserem Auftauchen 2/3 der Aale in ihren Röhren. Das restliche Drittel bleibt draußen und wiegt sich weiter elegant in der schwachen Strömung.
Beim Safety Stop auf 3m machen wir der Rest der Übungen problemlos durch. Masken tauschen. Regulator tauschen etc. kein Problem mehr.
Wir quatschen 1h am Strand beim heissen Tee und schauen zu, wie die Taucher-Tagesausflügler ankommen. Sandy erzählt allerhand lustiges. Der Bursche ist ein Original mit mehr als 7000 geloggten Tauchgängen. Seit er 2005 sein Logbuch verloren hat, hat er aufgehört zu zählen. Inzwischen dürften es 8000 sein.
Beeindruckt schau ich zu, wie Sandy's kleine zarte Angestellte unsere neuen Flaschen bringt. Die Kleine hat zwei 12l Aluminiumflaschen + Ausrüstung auf dem Kopf. Gewicht bestimmt 40kg. Und das Mädel wiegt selbst bestimmt nur knapp 50kg. Halejulia.
Runter zum zweiten Tauchgang. Diesmal gehts vom Bug in das Schiff. Wir tauchen um die enorme Bordkanone – ebenfalls vollständig mit Korallen bedeckt – und tauchen durch einen engen Riss in den Maschinenraum des Schiffes. Wow, Sandy muss ja ganz zuversichtlich sein, also schein ich mich inzwischen garnichtmehr so blöd anzustellen.
Und – you know what – es macht wieder tierisch Spass. Das Tarieren ist wie fliegen. Wir "fliegen" an nem riesen Grouperfish vorbei, der uns gelangweilt an-"blubbt". Kleines und Feines gibt es auch zu sehen. An zwei Eisenstreben haften "Nudi Branch" – ein winziger, wie ein zweirotoriger Helikopter (wer damals "Ein Trio mit 4 Fäusten" gesehen hat, weiss, was ich meine) geformtes etwas, kommt uns da entgegen.
Beim Safety Stop schichtet Sandy ein wenig Geröllgestein um und macht damit ein einsiedlerartiges, daumennagelgrosses Spinnenmischmasch sichtbar. Eine Mischung aus Kreuzspinne und Box Jellyfish ("Mars attack"-mässige Wasserkopfkratur – wenn wir schon bei Filmvergleichen sind). Dazu eine seltene Seenadel. Niccceee!
Die Luft reicht knapp 50min – auch am folgenden Tag, an dem wir am Tulamben Reef Drop Off tauchen. Der Drop Off ist ein Korallengarten, der steil abfällt. Die heute deutlich stärkere Brandung macht es schwierig mit der Ausrüstung an über das Geröll rein ins Wasser und dann auch runterzukommen. Die Brandung schmeisst uns fast wieder zurück aufs Geröll. Schnell runter. Auf 2m Tiefe zwischen den Steinen viele Seeigel. Da will ich nicht reinkrachen und geb ein wenig zuviel Luft in die Tarierweste...
...und krach in die Flossen eines Tauchers über mir. Nanu, wo kommt der denn her?
Die Brandung sorgt für weniger gute Sicht bei beiden Tauchgängen heute. Die Korallen leuchten nicht so wie gestern – dafür die Papageienfische. Einen riesigen Napoleonsfisch und einen Mantarochen scheint das allerdings nicht zu stören. Mehrere Grouper und Snapperfische. In einer Korallennische verstecken sich ein Haufen Lionfische. Zwei grosse Barracudas sagen Hallo und auch Nemo begrüsst mich in einer Seeanemone. Schee ists in dem großen Aquarium.
Nach den Tauchgängen bringt mich Sandy in Kontakt mit einem Freund von ihm, der Speedboattrips zu den Gilis organisiert. Heisst übrigen Wayan, wie könnte es anders sein... ;-)
Am Nachmittag regnets erneut. Stört mich nicht, nach dem Tauchen pennts sich nämlich wunderbar :-). Als ich aufwache regnets immer noch, so dass ich mich auf die Nachbarveranda setze und mit Titziana aus Italien und Jen aus Australien quatsche, die Bali auf ihren Scootern bereisen. Beide reisen daher mit wenig Gepäck: als Unterwäsche halten zum Beispiel nur zwei paar Bikinis her. Amüsiert muss ich an meinen, nur zu deutsch gepackten 17kg Rucksack denken...
Abends ist in Tulamben tote Hose und so finde ich mich bei den balinesichen Jungs der an das Hotel angegliederten Tauchschule wieder. Die Buben trinken Arak aus ner riesigen 1,5l Wasserflasche. Arak wird, so wie ich das verstanden hab aus Palmensamen gebrannt und hat ordentlich Volt. Das scheint Jen nicht zu stören. Das zarte Mädel kann saufen. Mein lieber Scholli. Bei den Baliboys bin ich mir da nicht ganz so sicher. Lustig ist es allemal. Wir lernen indonesisch und die Jungs Deutsch und australische Sprichwörter. Wer da besser abschneidet, könnt ihr euch denken. (Ich bin so eine Null im Sprachen lernen: kann mich jetzt schon nicht mehr an das indonesische Pendant für Prost entsinnen, und das, obwohl es an dem Abend so oft fällt ;-))
Am nächsten Morgen hab ich nicht nur meinen Rucksack, sondern auch einen enormen Arakschädel auf, als es auf das Speedboot zu den Gilis geht. Obwohl das Meer relativ flach ist, peitscht das Speedboat sich auf jeder Wellen hoch und kracht mit Wucht in das folgende Wellental. Ein Gedicht für meine Bandscheiben und eine Freude für meinen Schädel...
Nach 1h Fahrt sind wir auf Gili Trawangan angekommen und das Speedboat wird – genauso wie beim Start in Amed – einfach auf den Strand gesetzt. Wozu braucht man einen Pier? Ich wade durch das türkisfarbene Wasser und mach mich auf die Suche nach meiner nächsten Unterkunft.
Die Gili Experience kann beginnen.